Web-Apps machen Programmen Konkurrenz
Karlsruhe (dpa/tmn) - Internetbrowser sind Spezialisten für Entertainment und den Abruf von Informationen. Mit Web-Applikationen ist aber noch mehr möglich: Sie können Aufgaben, die sonst auf dem PC installierte Programme erledigen, direkt im Browser lösen - von Textverarbeitung bis Bildbearbeitung.
„Bei Web-Apps steht die Funktionalität und nicht der Inhalt im Fokus, wie es sonst bei Websites üblich ist“, erklärt Prof. Michael Beigl, Leiter der Informatik-Fakultät am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Die Anwendungen sind in JavaScript verfasst. „Das ist eine Skriptsprache, die der Browser ausführen kann.“ Entsprechend braucht es nicht viel, damit Web-Apps laufen: Neben einem aktuellen Browser sind mitunter noch Plug-ins wie Java oder Adobe Flash Player nötig - vor allem aber natürlich eine ordentliche Internetanbindung, weil die meisten Web-Apps keinen Offline-Modus bieten.
Web-Apps müssen nicht auf dem Rechner installiert werden. Das heißt: Einrichtung, Updates und Speicherplatz auf der Festplatte sind nicht nötig: „Im Prinzip startet man den Browser und ist mit Web-Apps sofort arbeitsfähig“, sagt Dorothee Wiegand vom Computermagazin „c't“.
Vor der Nutzung eines Dienstes ist gegebenenfalls eine Anmeldung nötig. Es wird ein Account erstellt, meist mit Namen und Mail-Adresse. Dieser ist in der Regel kostenlos, oft lässt sich bei Bedarf auch noch ein kostenpflichtiges Premium-Angebot dazubuchen.
Die Möglichkeiten sind nahezu grenzenlos: Für fast jede Desktop-Anwendung existiert eine App im Web. Virenscanner, Office-Programme, Datenkonverter, Bildbearbeitung. Es sind zu viele, um sie aufzählen. Firmen stellen zu ihren Software-Paketen für den Rechner häufig zusätzliche Web-Apps zur Verfügung, etwa Adobe für Photoshop oder Microsoft für sein Office-Paket. Abgespeckte Basis-Versionen dieser kostenpflichtigen Software sind meist kostenlos im Internet nutzbar. Zu Angeboten wie Google Docs gibt es gar kein Software-Gegenstück zu Installation mehr.
Web-Apps machen mobil. Man kann das jeweilige Programm an jedem beliebigen Internetrechner oder auch auf Tablets und Smartphones nutzen, und ist nicht auf einen einzigen Computer angewiesen, auf dem die Software installiert ist. Selbst oder auch gerade bei einmaligen Aufgaben wie etwa dem Anfertigen der Steuererklärung können Web-Apps nützlich sein: Statt Software zu kaufen, installieren und einzurichten, erledigt man die Sache direkt online gegen eine Gebühr.
Die meisten Programme laufen im Browser flüssig. Anspruchsvolle Anwendungen wie etwa Videoschnitt-Tools eignen sich aber weniger gut für den Browser. „Web-Apps können nicht alle Möglichkeiten der Hardware nutzen, die ein leistungsstarker Rechner bietet“, erläutert Wiegand.
Prof. Beigl ergänzt: „Die Browser-Anwendungen können noch nicht gezielt auf bestimmte Basis-Hardware des PCs zugreifen.“ Während installierte Programme Rechenleistung bei Bedarf auf Prozessoren der Grafikkarte auslagern, klappt das mit Web-Apps noch nicht. „Der Zugriff wird aber kommen“, ist sich Beigl sicher.
Ein anderes Problem werde dagegen nicht so schnell behoben, schätzt der Informatik-Professor aus Karlsruhe. „Die Anwendungen im Browser brauchen mehr Arbeitsspeicher als vergleichbare native Programme auf dem Rechner.“ Gerade bei Web-Apps, die eine Menge temporären Speicher benötigen, könne es ruckeln. Bei großen Datenmengen spielt darüber hinaus die Qualität der Internet-Verbindung eine Rolle: Stocken die Datenpakete zwischen Server und Rechner, stockt auch die Arbeit in der Web-App.
Egal, ob Windows, Mac oder Linux: Web-Apps sind unabhängig vom Betriebssystem des Rechners. Das macht sie nicht nur für Hersteller attraktiv, weil sie damit schnell eine hohe Verbreitung ihrer Anwendungen erreichen, wie Markus Schaffrin erklärt. „Nutzer müssen sich ebenfalls keine Gedanken mehr machen, ob das Programm auf ihrem PC läuft“, führt der Experte Verband der deutschen Internet-Wirtschaft aus.
Der Vorteil sei jedoch gleichzeitig ein kleiner Nachteil. Weil die Programme nicht mehr perfekt auf die einzelnen Betriebssysteme zugeschnitten sind, könne es kleine funktionelle Einschränkungen geben. Die bemerke der Otto-Normal-Nutzer aber in der Regel nicht.