Akribischer Blick auf Schnitzler
Langzeitförderung für Unis in Wuppertal und Düsseldorf.
Wuppertal/Düsseldorf. Dieses Projekt an der Bergischen Universität in Wuppertal hat gleich in doppelter Hinsicht die Dimensionen eines Lebenswerkes: Auf 18 Jahre ist das Forschungsprojekt „Arthur Schnitzler: Sämtliche Werke. Digitale historisch-kritische Edition“ angelegt, das im Fachbereich Geistes- und Kulturwissenschaften angesiedelt ist und von den Professoren Wolfgang Lukas und Michael Scheffel betreut wird. Diese Edition — eine Mammutaufgabe angesichts des 40 000 Blatt umfassenden Nachlasses — soll schließlich auch im Internet verfügbar sein.
Gestern wurde das Projekt, das mit 4,9 Millionen Euro (270 000 Euro pro Jahr) gefördert wird, in der Akademie der Wissenschaften (NRW) in Düsseldorf vorgestellt. Nach Einschätzung von Michael Scheffel hat es einen Forschungsauftrag dieser Größenordnung bisher im Bereich der Geisteswissenschaften an der Bergischen Uni noch nicht gegeben. Das Projekt soll als internationale Kooperation mit den Universitäten Cambridge und Wien, der Cambridge University Library, dem Deutschen Literaturarchiv Marbach und dem Schnitzler-Archiv in Freiburg sowie mit dem Zentrum für elektronische Texterschließung der Uni Trier realisiert werden.
Besonders der Zusammenarbeit mit der Library of Cambridge sehen die Wuppertaler Forscher mit großem Interesse entgegen, denn dort liegt der Großteil des Nachlasses des österreichischen Schriftstellers — dort wurden seine Schriften 1938 vor den Nazis in Sicherheit gebracht.
Im Gegensatz zu anderen Vertretern der Epoche wie Franz Kafka, Robert Musil, Alfred Döblin, Hugo von Hofmannsthal oder Thomas Mann sind die Werke von Arthur Schnitzler (1862 - 1931) bis heute nicht in einer wissenschaftlichen Edition greifbar.
Dabei weist sein Werk mit den Bühnenstücken, Novellen und Romanen wie „Der Reigen“, „Traumnovelle“ und „Leutnant Gustl“ eine enorme Bandbreite auf, die weit über die Schnitzler oft unterstellten Motiv-Klischees (süßes Mädel, Traum, Spiel, Tod) hinausgeht. Der enorm umfangreiche Nachlass soll erstmalig Einblick in die Arbeitsweise dieses Autors der klassischen Moderne (1830 - 1930) gewähren.
An der Heinrich-Heine-Universität wurde ebenfalls ein Langzeitprojekt bewilligt, das mit drei Millionen Euro gefördert wird: Historiker untersuchen ihre Kollegen aus der Spätantike. Sie sammeln und digitalisieren Fragmente der Geschichtsschreibung aus der Zeit der Völkerwanderung (3. bis 6. Jahrhundert). Knapp 90 Autoren oder anonyme Werke konnten bisher ausfindig gemacht werden.
Wuppertal und Düsseldorf sind erstmals im überregionalen Langzeitprogramm der acht deutschen Akademien vertreten. In NRW wurden vergleichbare Akademieprojekte bisher nur in Bonn, Köln, Münster und Bochum in Angriff genommen.