120 Werke - sechs Jahrhunderte Mama und Merkel: Mutterschaft in der Kunst

Düsseldorf · Die Darstellung der Mutter in der Kunst ist ein sehr weites Feld. Der Kunstpalast in Düsseldorf findet einen überraschenden Zugang zum Thema.

Blick auf den Eingang zur Ausstellung im Düsseldorfer Kunstpalast.

Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Maria hat meist ein Kind im Arm. In der Kunst oder auf Altarbildern. Merkel hat keine Kinder. Obwohl zig Millionen in der Kanzlerin als „Mutti“ titulierten. Anfangs auf einem Spiegel-Cover in der Tracht von Mutter Teresa, bei ihrem Abschied als erschöpfte, aber weltweit geschätzte Staatslenkerin. Was verbindet die beiden? Was unterscheidet sie? Diesen Fragen geht eine ungewöhnlich vielseitige Ausstellung über Mütter im Düsseldorfer Kunstpalast nach. „Mama – von Maria bis Merkel“: Unter diesem Titel präsentiert das Haus im Ehrenhof am Rhein 120 Werke aus sechs Jahrhunderten, zu 50 Prozent aus eigenen Beständen. Vom 14. Jahrhundert bis zur Gegenwart.

Mit Szenen und fotorealistischen Altar-Bildern von der Geburt im Kreissaal bis zum Tod in der Klinik. Neben Gemälden und Skulpturen aus mannigfachen Materialien sind Video-Installationen, Fotografien, Musik, Werbung und Gegenstände des täglichen Gebrauchs zu sehen. Sie belegen, inwiefern sich Mutterbilder in Epochen verändert haben oder vergleichbar geblieben sind.

Jeder hat/hatte eine Mutter. Mal Übermutter, mal Rabenmutter. Nur wenige Worte sind spontan mit so viel Emotionen verbunden – wie mit Mutter, Mama, Mutti…. Darum geht es den Kuratorinnen (Westrey Page, Linda Conze und Christina Schütz) in den zehn und abwechslungsreich ausstaffierten Sälen. Ebenso zeigen sie Männer und reißen Fragen an, inwiefern Väter Mütterrollen übernehmen können und warum sich Frauen bewusst für eine Mutterschaft, andere dagegen entscheiden.

Zu Beginn „Die gute Mutter“. Ein farbiges Staatsporträt der jungen Queen – zu erkennen auf dem Foto aus den 1950ern. Ihre Kinder Charles und Anne schauen auf die junge Königin Elisabeth. Sie wiederum schaut dem Betrachter in die Augen. Die Hof-PR-Abteilung zeigt sie nicht nur als liebende Mutter ihrer Sprösslinge, sondern als Mutter der britischen Nation. Daneben eine Wand mit 15 Madonnen-Skulpturen aus Renaissance und Barock – mal mit Jesuskind, mal ohne. Mal Himmelskönigin, dann dem Kind zärtlich zugewandte Frau. Fromm, demütig, meist asexuell – kaum verändert sich dieses Bild der Jungfrau Maria in den Jahrhunderten.

Muttergottesfiguren sind in der Ausstellung „Mama. Von Maria bis Merkel“ im Museum Kunstpalast zu sehen.

Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Dialog über Fürsorge und Mütterlichkeit

Dann das Porträt-Foto von Schlager-Bubi Heintje, der in den späten 1960ern mit seinem Lied „Mama“ die deutsche Nachkriegs-gesellschaft zu Tränen rührte. Wenn auch 1938 im faschistischen Italien eigentlich für den Star-Tenor Beniamino Gigli komponiert, so bleibt das Lied aus Heintjes Kehle im Ohr und schwebt als schnulzige Mutter-Verehrung wie ein Leitmotiv über einer Schau, die keine letzten Erkenntnisse vermitteln will, sondern zum Dialog über Fürsorge und Mütterlichkeit einlädt. Denn, wie Therapie-Experten beobachten, „scheint es so, als könnten es Mütter heute niemandem mehr recht machen.“ Und manche unter Doppel- und Dreifach-Belastungen leiden.

So sieht man in der Abteilung ‚Rat oder Regel’ neben einem raumhohen Bücherregal (Literatur für Mütter und die, die alles richtig machen wollen) eine junge Frau in doppelter Funktion. Auf dem Kunst-Foto von Judith Samen (von 1997) steht eine junge Mutter in geblümter Kittelschürze in der Küche: Unter einem Arm hält sie einen Säugling, mit der anderen Hand schneidet sie gerade eine Scheibe von einem Laib Brot ab. Titel: „Brotschneiden“. In warmem Blau lackiert dann der Saal ‚Care-Arbeit‘. Bei einer „Brustpumpe“ geht es offenbar um die Frage Stillen oder Flaschen. Und auf einer Fotominiatur erkennt man ein Kleinkind, das von einer unbekannten Frau im Hintergrund behütet wird. Einer Amme, deren Dienste jahrhundertelang in der Aristokratie, später auch im reichen Bürgertum üblich waren. Aber auf repräsentativen ‚Mutter-mit-Kind‘-Porträts in Öl halten die Mütter persönlich schützende Hände über kleine oder ältere Kinder- wie auf expressionistischen Ölbildern von Paula Modersohn-Becker und Hannah Höch.

Im Gegensatz zum gängigen Klischee unterschied sich die Rollenverteilung in der DDR-Familie nur wenig von Westdeutschland. In einer Abend-Szene zum Beispiel, gemalt im optimistisch leuchtenden sozialistischen Realismus, steht eine Frau mit Kind auf dem Arm vor einer Bücherwand. Sie schaut auf ihren Mann, der über Büchern hockt und sich weiterbildet.

Aber auch Empfindungen zur Mutter, die sich erst später entwickeln, stehen zur Diskussion. So empfängt in der Abteilung „Nähe“ von Weitem ein Plakat in bedrohlich grellem Rot: „Deine Mutter anrufen und auflegen“. Sicherlich ein ironischer, aber kaum ernst gemeinter, liebevoller Ratschlag. Traurig dagegen der Saal „Mutterseelenallein“. Einschneidende Erlebnisse macht man bei Verlusten - wenn man das Kind, die Mutter oder die Möglichkeit der Mutterschaft verliert.

Wie das Schicksal mit voller Wucht eingreifen kann – zeigte bereits 1938 Käthe Kollwitz mit ihrer massiv gewölbten, finsteren Bronze „Der tote Sohn“ oder die neue Fotografie von Renée Cox: Mutter, die ihren unbekleideten, toten Sohn in Armen hält – ein Motiv, das an die berühmte Renaissance-Pietá von Michelangelo erinnert. Wie sich Rollen Mutter und Kind umkehren können, zeigt Joelle Dubois auf dem neusachlichen Ölbild „My Mother“. Zerfurchte, apathische Gesichtszüge weisen auf die alzheimerkranke Mutter, um die sich die Tochter kümmert.

Welche Erfahrungen man auch mit der eigenen Mutter macht oder gemacht hat – man ist nicht allein. Das erfährt der Besucher per Kopfhörer. In Interviews berichten zahlreiche, in den sozialen Medien angesprochene Menschen über ihre persönlichen Erlebnisse zum Thema Mutter, Mutterschaft etc.

Fazit: Es ist weit mehr als eine Kunst-Ausstellung. Zahlreiche Objekte berühren eigene Empfindungen und setzen Gefühle frei. Bei jedem sicherlich andere.