Interview Ein zeitloser Ruhrpott-Rentner

Als Herbert Knebel steht Uwe Lyko seit Jahrzehnten auf der Bühne – mit bretonischer Fischerkappe, Hosenträgern und jeder Menge Ruhrpott-Charme. Im Interview spricht Lyko über die Anfänge, Veränderungen der Figur und warum Herbert Knebel auch Led Zeppelin covern darf.

Foto: Thomas Willemsen

Herr Lyko, Gerüchten zufolge soll die erste Mütze von Herbert Knebel eigentlich Helge Schneider gehört haben. Ist das eine moderne Legende?

Uwe Lyko: Nein, das ist tatsächlich wahr. Als Helge noch nicht so bekannt war und als es auch das Affentheater noch gar nicht gab, haben wir denselben Probenraum genutzt. Ich hatte das Konzept für ein Musikkabarett schon lange im Kopf und wir haben ein bisschen rum improvisiert. Dabei ist die Figur des Herbert Knebel entstanden. Damals noch ohne Namen. Da ich erst Mitte 30 war, war klar: Für einen Rentner muss ich mich verkleiden – und dann lag da diese Mütze. Die Kappe habe ich einfach behalten, sie sah weder wertvoll noch teuer aus. Als wir dann in Rheinberg im Schwarzen Adler erstmals aufgetreten sind, hat Helge Schneider in der ersten Reihe gesessen. Er kam danach zu mir und hat gesagt: „Das ist meine Mütze, aber kannst Du behalten“. Diese Mütze ist längst Geschichte und es war damals gar nicht so einfach, Ersatz zu bekommen. Fündig geworden bin ich im Urlaub auf einem Markt in der Bretagne. Tatsächlich ist das Modell nämlich eine bretonische Fischerkappe. Ich habe mich dann gleich mit mehreren Exemplaren eingedeckt.

Das war wohl nicht verkehrt, Sie stehen ja inzwischen seit Jahrzehnten als Herbert Knebel auf der Bühne. Hat sich die Figur über die Jahre verändert – oder ist sie zeitlos?

Lyko: Als Figur an sich ist Herbert Knebel sicher zeitlos. Ein paar Veränderungen gab es aber schon. Die Stimme ist heute nicht mehr so knarzig und gepresst wie am Anfang, sondern deutlich entspannter. Das habe ich auch aus Rücksicht auf mich selbst so gehandhabt. Denn ich hatte zwischendurch Stimmprobleme und wenn ich nichts geändert hätte, wäre nach fünf oder sechs Jahren stimmlich Schluss gewesen. Im Programm selbst sind viele Themen hinzugekommen: soziale Medien, Smartphones, das Internet überhaupt. All das gab es noch nicht, als ich Knebel entwickelt habe.

Gibt es Momente, in denen Sie privat in den „Knebel-Modus“ verfallen und es gar nicht merken?

Lyko: Wenn ich mich ärgere. Dann sagen die Leute immer, ich hätte etwas knebelmäßiges. Ich bin mitunter auch sehr ungeduldig und ärgere mich oft über Sachen, über viele Sachen. Aber ich laufe nicht mit dem Block durch die Siedlung und schreibe Falschparker auf. Aber auch Herbert Knebel ist ja kein Spießer, sondern eher ein Alltagsanarchist.

Der Ruhrpott-Humor ist direkt, herzlich und oft ein bisschen derb. War diese regionale Verwurzelung geplant?

Lyko: Nein, das ist tatsächlich eher zufällig entstanden. Früher wurde ich sogar oft gefragt, wie die Programme außerhalb des Ruhrgebietes ankommen. Aber das war nie ein Problem.

Wie kam es dazu, ausgerechnet eine Figur wie Herbert Knebel mit Musikkabarett zu verknüpfen?

Lyko: Es war von vornherein als Musikkabarett geplant. Anfangs hatte ich ein ganzes Panoptikum von Figuren. Im ersten Programm stand ich in zehn verschiedenen Rollen auf der Bühne, Knebel war nur eine davon. Aber Knebel hat mir am meisten Spaß gemacht und ist auch am besten angekommen. Außerdem fiel uns für ihn am meisten ein. Und so wurden aus zwei Nummern im ersten Programm, vier Nummern im zweiten und so weiter. Bis Knebel allein übrigblieb.

Gibt es Songs oder Musikrichtungen, die Sie gern mal auf der Bühne ausprobieren würden, die aber nicht zu Knebel passen?

Lyko: Das haben wir von Anfang an gemacht. Led Zeppelin, AC/DC, Bee Gees, Rolling Stones, Jazz – nichts davon passt zu Herbert Knebel, aber wir machen alles. Die Freiheit habe ich mir von Anfang an genommen. Es ist eine Kunstfigur, also warum nicht? Und die Leute lieben es.

Woher nehmen Sie die Ideen für Ihre Programme? Hören Sie einfach älteren Herren in der Kneipe zu?

Lyko: So einfach ist es nun nicht. Es ist schon harte Arbeit. Wir setzen uns einmal die Woche zusammen, suchen ein Thema und fang an zu schreiben. Wir überlegen uns, inwiefern Knebel mit dem Thema in Berührung kommen könnte und wie er darauf reagieren würde. Wir schreiben zu Dritt und uns fällt eigentlich immer etwas ein.

Wenn Herbert Knebel heute eine junge Version von sich selbst treffen würde – was würde er ihm sagen?

Lyko: Mach Dich auf einiges gefasst. So schön wie jetzt wird es nie wieder.

Uwe Lyko, der Mann hinter Herbert Knebel

Foto: Peter Wieler

Was machen Sie am liebsten, wenn Sie nicht gerade als Knebel auf der Bühne stehen?

Lyko: Gern Musik. Ich spiele leidenschaftlich Gitarre, wenn ich auch nicht mit den Qualitäten unseres Gitarristen Ozzy Ostermann mithalten kann. Aber um mir selbst Freude zu machen, reicht es. Ich singe auch für mich selbst. Außerdem lese ich viel und treibe wirklich gern Sport: Radfahren, Wandern und Tischtennis. Aktuell habe ich auch wieder ein Spielpartner gefunden. Darüber hinaus gucke ich gern, was die Kollegen so machen und wie sich der Nachwuchs im Bereich Comedy und Kabarett entwickelt.

Wenn Sie sich eine Rolle außerhalb des Kabaretts aussuchen könnten – was wäre Ihr Traumprojekt?

Lyko: Es gab ein Traumprojekt. Aber das haben wir umgesetzt. Ich wollte schon immer eine reine Musikband ins Leben rufen, ohne Verkleidung. Die haben wir dann tatsächlich „Herbert Knebels Affentheater privat“ genannt und treten auch nur zweimal jährlich auf. Wir spielen Coverversionen, aber eben nicht knebelmäßig. Das machen wir seit etwa sechs, sieben Jahren recht erfolgreich. Die Konzerte waren immer ausverkauft. Außerdem hätte ich gern einmal eine größere Rolle in einem Film gehabt, es gab aber immer nur Angebote für kleinere Nebenrollen. Dabei habe ich aber eine wichtige Erfahrung gemacht: Ich bin zu ungeduldig für Dreharbeiten. Irgendwann habe ich mir gedacht: „Sei froh, dass Du Bühnenkünstler bist.“

Gibt es einen Punkt, an dem Sie sagen: „Jetzt reicht’s, Knebel geht in Rente“ – oder bleibt er ewig?

Lyko: Sobald es mir keinen richtigen Spaß mehr macht oder aber zu anstrengend wird. Das kann man ja regulieren. Wir spielen heute längst nicht mehr so viel wie früher, solo trete ich gar nicht mehr auf und mit der Gruppe durchschnittlich sechsmal im Monat. So kann man das hoffentlich noch eine ganze Weile durchhalten.