Sie haben die kommissarische Leitung zu einem kniffligen Zeitpunkt übernommen.
Alicia Holthausen „Wir werden die nomadisierende Kunsthalle“
Interview | Düsseldorf · Die kommissarische künstlerische Leiterin des Düsseldorfer Museums berichtet, wie es weitergeht, wenn der Bau saniert wird.
Das „Velvet“ an der Stresemannstraße in Düsseldorf. Alicia Holthausen (34) bestellt Kaffee. Die kommissarische künstlerische Leiterin der Kunsthalle folgte zu Jahresbeginn auf den langjährigen Leiter Gregor Jansen.
Holthausen: Ja, die Kunsthalle soll saniert werden. Wir freuen uns darüber. Der Bau stammt aus den 1960er-Jahren, das heißt, was hinter den Wänden ist, ist 60 Jahre alt: Rohre, Leitungen. Wer zu Besuch kommt, sieht das nicht unbedingt. Es ist teilweise ruinös, wir haben immer wieder Rohrleitungsschäden oder andere technische Defekte. Wir haben fast täglich Handwerker im Haus, die versuchen, einen halbwegs annehmbaren Zustand herzustellen. Und das macht die Arbeit schwierig. Außerdem verliert das Haus einen Großteil der Energie durch die Fassade, weil Dämmung in den 1960er-Jahren noch nicht das gleiche war wie heute. Die Stadt ist verpflichtet, klimaneutral zu werden. Und mit so einem Haus funktioniert das vorne und hinten nicht. Deswegen kommt ein Teil des Budgets für den Umbau vom Umweltamt. Und ganz wichtig beim Umbau – und vor allem uns auch ganz wichtig – ist die Herstellung von Barrierefreiheit.
Der Bau wurde kürzlich unter Denkmalschutz gestellt.
Holthausen: Ja, deshalb muss sich niemand sorgen, dass man das Haus nach dem Umbau nicht wiedererkennt. Der schöne brutalistische Bau, den viele lieb gewonnen haben, wird uns erhalten bleiben. Der Denkmalschutz prüft Stück für Stück, was alles unter Denkmalschutz gestellt wird. Auf jeden Fall Fassade, Treppenhäuser und Geländer. Die Kunsthalle wird nach der Sanierung noch so aussehen wie jetzt, nur frisch.
Was passiert während des Umbaus?
Holthausen: Wir wollen nicht drei Jahre an einen Interimsort ziehen, an dem wir vielleicht in Vergessenheit geraten. Wir haben uns etwas anderes überlegt: Wir werden die nomadisierende Kunsthalle.
Was bedeutet das?
Holthausen: Düsseldorf hat 50 Stadtteile. Wir planen jeden davon zu besuchen, und wir wollen sehr niederschwellig unterwegs sein, zu den Leuten gehen und mit ihnen vor Ort arbeiten. Etwa in Institutionen. Wir möchten mit einer Kita ein Projekt machen oder mit einem Gärtnerverein. Aber auch in Offspaces, kleineren Institutionen, kleineren Räumen. Auch in Zwischennutzungsprojekten, also Leerständen, die wir beleben möchten. Die Idee ist, mit den Menschen in den Stadtteilen in Austausch zu kommen.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Holthausen: Wir haben zum Beispiel kürzlich die alte WestLB an der Herzogstraße besichtigt. Da stehen 20 000 Quadratmeter frei. Eine grandiose Fläche. Und wir wollen im vorderen Bereich etwas machen. Wir schauen uns gerade viele potenzielle Orte an, aber freuen uns auch sehr, wenn andere Institutionen, Organisationen oder Initiativen uns einladen möchten.
Über welchen Zeitraum reden wir genau?
Holthausen: Wir machen in der Kunsthalle noch bis Anfang Januar 2026 Programm. Dann brauchen wir etwas Zeit, um auszuziehen. Wir müssen die Kunsthalle zum 31. März besenrein übergeben. Im April 2026 starten wir das Interimsprogramm.
Das umfasst wahrscheinlich nicht nur Ausstellungen, oder?
Holthausen: Das sind alle Arten von Projekten. Wir machen ohnehin schon wahnsinnig viele Veranstaltungen. Wir sind ein Experimentierraum, kein Museum. Wir müssen uns an keine Sammlung halten, was schön ist, sondern wir können, natürlich im Rahmen unseres inhaltlichen Auftrags, eigentlich tun und lassen, was wir wollen. Die Aufgabe der Kunsthalle ist es, nah am Zeitgeschehen zu bleiben, nicht nur mit Ausstellungen, sondern auch mit Lesungen, Konzerten, Performances, Happenings und vor allem Projekten in der kulturellen Bildung, die wir immer enger auch mit unserem Programm verknüpfen. Es soll alles weiter ineinanderfließen, gerade auch, wenn wir auf Tournee gehen. Wir wollen zudem ein paar Sachen machen, die bleiben werden.
Was denn?
Holthausen: Man könnte da an eine Spielplatzgestaltung denken oder eine Platzgestaltung. Dass man also einen Künstler beauftragt, einen offenen Platz zu gestalten, der dem Viertel erhalten bleibt, wenn wir wieder gehen. Das werden wir nicht in allen 50 Stadtteilen schaffen. Aber in ein paar Stadtteilen vielleicht schon. Und immer auch in engem Austausch mit den Anwohnern.
Wie definieren Sie die Rolle der Kunsthalle innerhalb der Düsseldorfer Kulturinstitutionen?
Holthausen: Wir wollen uns von anderen Kulturinstitutionen, vor allem von den Museen unterscheiden. Uns geht es um die Gegenwart, das unmittelbare Jetzt. Es passiert leider häufig in Düsseldorf, aber auch anderswo, dass man nur darüber spricht, was vor 20 Jahren toll war, aber nie das Jetzt beobachtet und sich überlegt: Könnte das in 20 Jahren mein „vor 20 Jahren“ sein? Diese Offenheit für das Jetzt und das Beobachten des Jetzt, das finde ich wichtig. Wir können auch scheitern mit manchen Sachen. Aber das gehört dazu.
Wie ist Ihre persönliche Perspektive?
Holthausen: Wie es perspektivisch ist, wissen wir noch nicht hundertprozentig. Das liegt auch ein bisschen an der Stadt. Natürlich wird die Stelle der Direktion neu ausgeschrieben, das ist klar. Die Findungskommission möchte sie international ausschreiben, so was dauert. Zudem möchten die Stadt und unser Aufsichtsrat die Situation nutzen, um das Haus einer Organisationsbetrachtung zu unterziehen, in die wir eng eingebunden sind. Es wird also mit unserem Team geschaut: Was ist die Kunsthalle der Zukunft? Dafür muss man das Haus und seine Strukturen kennen. Deshalb ist es auch konsequent, dass jetzt nicht direkt irgendjemand Neues da hingesetzt wird, sondern dass man erst mal die Lage beobachtet und evaluiert und dann eine begründete gute neue Entscheidung trifft.
Wie sind Sie eigentlich zur Kunst gekommen?
Holthausen: Ich bin in Düsseldorf geboren. Kunst war in meinem Leben immer wichtig. Meine Mutter und mein Onkel, der selbst Künstler ist, haben mich in jedes Museum der Stadt geschleppt. Ich saß mit meinem Onkel im Kunstpalast, da war ich sechs Jahre alt, und wir haben Bilder abgemalt. Ich möchte die Person sein, die dabei hilft, dass andere Leute etwas umsetzen und möglichst viele Leute es sehen können. Und ansonsten schreibe ich nebenher meine Doktorarbeit.
Über welches Thema?
Holthausen: Raumerleben in zeitgenössischer Installation. Da habe ich vor etwas längerer Zeit schon angefangen, und ich würde niemandem raten, neben einer Vollzeitstelle eine Doktorarbeit zu schreiben. Aber ich hänge an dem Thema, habe auch schon viel geschrieben und möchte es nicht aufgeben. Immer wenn ich mal zwei Stunden Zeit finde, mich dranzusetzen, macht es mir riesigen Spaß, weil es eine Konzentration auf ein Thema ermöglicht, für das ich wirklich brenne.
Wie stoßen Sie auf das Neue?
Holthausen: Man kann sich schlecht auf die Suche nach dem Neuen machen, denn das Neue passiert zwischen den Zeilen. Zum Beispiel, wenn Leute rumprobieren und das Ergebnis in kleiner Runde oder in einem Offspace zeigen. Dafür muss man offen sein. Man kann das Neue nicht googeln. Man muss an Orten sein, an denen das Neue passieren könnte. Bars, Clubs, Theater, auch Akademien, Hochschulen, Instagram.