Erfinder der Eart Art Der Aktionskünstler Daniel Spoerri ist tot

Düsseldorf/Berlin · Die Eat-Art-Galerie des mit 94 gestorbenen Daniel Spoerri war eine Institution.

Künstler Daniel Spoerri wurde 94 Jahre alt.

Foto: dpa/Achim Scheidemann

„Essen war für mich eine sehr primäre Angelegenheit, denn das Essbare ist das Veränderlichste, was es überhaupt gibt“, sagte Daniel Spoerri, als wir in der Durchgangsküche seiner Wiener Wohnung saßen. Eine Erkenntnis, die ihn einst von New York nach Düsseldorf brachte. Es waren die Jahre 1968 bis 1972, als er ein Restaurant am Burgplatz betrieb und 1970 eine Etage darüber die Eat-Art-Galerie gründete.

Im Gastraum des Restaurants konnte man im Wortsinn seinen Tisch bestellen; dessen Platte ließ sich herausheben, damit man alle Objekte darauf fixieren konnte. Exakt, wie der Gast den Platz verlassen hatte: Zigarettenasche auf der blauen Tischdecke, zerknüllten Servietten auf dem Teller und Speisereste auf dem Tellerrand, Weinränder an den Gläsern. Vom Zufall verteilt über 70 mal 70 Zentimeter.

Und das bekam am Ende seinen Platz an der Wand – ein Fallenbild für jedermann. Oder doch nicht? „Ich wollte 1000 Mark pro Tisch, aber die Leute fanden das Wahnsinn! Es war ja nur Geschirr für 20 Mark drauf“, erinnerte sich Spoerri. Wenngleich man für eben jenen Restaurantbesuch damals bereits ein Drittel des Neupreises eines VW-Käfers hätte zahlen können, so kamen dennoch Gäste. Und „mit den Jahren wurden sie zahlreicher. Vorneweg Wolfgang Hahn, Konrad Klapheck, Gerhard Richter und auch schon mal Gunter Sachs. Es brodelte eben.“

Das Restaurant mit der Galerie darüber wurde der spannendste Durchlauferhitzer in der Kunst der rheinischen Metropole. Quasi ein Experimentierlabor für Künstler mit zahlenden Gästen. Das sollte auch viele andere Künstler inspirieren, etwa Joseph Beuys mit seiner dort durchgeführten Aktion der „1a gebratenen Fischgräte“. Und man konnte sogar ins Taxi steigen und als Fahrtziel „Zum Spoerri“ sagen. „Jeder wusste, wo das war“, sagte er.

Sein neues Labor eröffnete er danach in Wien. Ein Ort mit Hasenpfoten, Schrauben und 1000 Glasaugen. Dort wirkte er mit Heißklebepistole und Lötkolben zwischen einem überbordenden Sammelsurium von Objets trouvés, Souvenirs und Taxidermie. Um die Ecke: Wiens Naschmarkt mit seinem Samstagsflohmarkt, auf dem Spoerri auch schon mal ganze Stände mit sorgfältig nebeneinander drapierten Utensilien samt Preisschildchen kaufte, um sie auf Bildern zu fixieren.

Wie entstand die Idee zu den Fallenbildern? „Ich saß einmal im Flugzeug und schaute hinaus. Unten auf der Erde bewegte sich scheinbar nichts, obwohl wir mit 800 oder 900 Stundenkilometern durch die Luft rasten“, sagte er: „Da erkannte ich, dass zur Bewegung auch der Stillstand gehört. Und zwar der Stillstand von Situationen, die sich sonst immer bewegen.“ Fortan suchte er nach vergleichbaren Situationen aus dem Alltag und fand den Möglichkeitsraum Tisch: „Dort manipulieren wir unbewusst die Objekte, wenn wir etwa den gebrauchten Löffel achtlos ablegen.“

„Die Kunst war für uns eine gefundene Realität, die jeder für sich nach einem anderen Konzept darstellte“, so seine Worte. Nun ist Daniel Spoerri gestorben. Er wurde 94 Jahre alt.

(RP)