Lars Eidinger im K21 in Düsseldorf „Man bräuchte eine App, die Bilder nach dem Fotografieren löscht“

Düsseldorf · Lars Eidinger sprach im K21 über seine Fotoausstellung „O Mensch“.

Lars Eidinger in seiner Düsseldorfer Ausstellung.

Foto: dpa/Federico Gambarini

Der Star des Abends ist gar nicht da. Er heißt Lutz Olivier, wird mehrfach erwähnt und wohnte einst neben der Familie Eidinger. Als er mal zu Silvester rüberkam, freute sich der junge Lars Eidinger so, dass er den Mann von unten ansprang – leider voll gegen die nachbarschaftlichen Schneidezähne. Bis heute ist ihm eine kleine Narbe an der Stirn geblieben. Lutz Olivier sagte Sachen wie „Was will uns der Künstler damit sagen?“. Und einmal gab er einen gut gemeinten Rat: „Du willst Schauspieler werden? Mach das nicht, das ist eine brotlose Kunst.“

Der Schauspieler, Fotokünstler, Musiker und DJ Lars Eidinger sitzt nun auf der massiv vollen Plaza im K21 und spricht mit Freddy Langer aus dem Feuilleton der „FAZ“ über „Fotografie als Selbstbefragung“. Anlass des Artist Talk ist die Ausstellung von Eidingers Fotografien auf der Beletage, und das Schöne an diesen zwei Stunden ist, dass sie sich zum Selbstporträt Eidingers auswachsen. Zumindest von jener Version Eidingers, die in ihrer Rolle als Gesprächspartner auf der Bühne sitzt. „Ich bin hier ja nicht privat, privat würde ich hier nicht hingehen.“ Und: „Es ist eine große Herausforderung, man selbst zu sein.“

Eidinger hört sich die Fragen Langers an und zögert erst mal. Seine Antworten gleichen essayistischen Suchbewegungen, er beginnt bei persönlichen Erfahrungen und endet im Allgemeinen. Er habe mal eine Simultan-Dolmetscherin in Barcelona gefragt, wie sie das mache, ein langes Radiointerview in Echtzeit zu übersetzen. Sie habe geantwortet, dass sie am besten sei, wenn sie beim Übersetzen daran denke, dass sie gleich noch ihre Tochter abholen müsse. So gehe es ihm auch auf der Bühne, sagt Eidinger.

Gekleidet wie ein
Philosoph des Minimalen

Er ist gekleidet wie ein Philosoph des Minimalen. Er steht auf, um den Fotokünstler William Eggleston nachzuahmen. Der mache immer nur ein Foto und wirke dabei, als knipse er aus dem Handgelenk. Aber später merke man: Genau dieses Bild, das ist es. Eidinger selbst mache immer viele Bilder, er verliere sich geradezu in einem Motiv, aber er wähle schließlich immer das erste aus, nur das biete den direkten Zugang. „99 Prozent der Fotos auf unseren Handys schauen wir uns nie an. Man bräuchte eigentlich eine App, die sie direkt nach dem Fotografieren zerstört.“

Zwischendurch wünscht man sich, Eidinger würde mal ein Hörbuch einsprechen, ohne Skript und einfach drauflos. Es ist, als beobachte er sich selbst beim Denken und Sprechen. „Mir fällt gerade nichts ein“, sagt er. Und „Hm“. Und manchmal braucht er ein Brecht-Zitat, um in den Flow zu kommen. Er präsentiert sich als Persönlichkeit im Fluss. Umso deutlicher ragen Reflexionen heraus wie jene über einen Bekannten, der Donald Trump als Clown bezeichnete. Das sei gefährlich, sagt Eidinger, weil man dann eine Haltung einnehme, aus der heraus man nichts tue, sondern nur zusehe. „Ich hatte früher Angst vor Hitler. Und plötzlich machte jeder dahergelaufene deutsche Schauspieler eine Hitler-Parodie.“ Es sei gut, vor manchen Menschen Angst zu haben.

Man hört ihm gerne zu, man schaut ihn dabei gerne an. Und man weiß nicht, ob das vielleicht eine Theateraufführung ist. Artistic Talk. Auf jeden Fall gut, dass Lars Eidinger den Rat von Lutz Olivier nicht befolgt hat.