Hayato Sumino begeistert in der Düsseldorfer Tonhalle Virtuoser Internet-Star
DÜSSELDORF · Seit seiner Schulzeit veröffentlichte Hayato Sumino Musikvideos. Klassische, moderne, Pop und Eigenkompositionen. Unter dem Namen Cateen hat er als Youtuber bereits 1,4 Millionen Abonnenten und rund 200 Millionen Videoaufrufe.
Nun erobert er mit 29 die großen Konzertsäle. Bachs berühmte Partita Nr. 2 und Ravels Bolero – beides beherrscht Hayato Sumino nahezu perfekt. Das bewies der japanische Piano-Performer mit langen schwarzen Haaren jetzt in der dicht besetzten Tonhalle in Düsseldorf, wo er sein Publikum zu betören verstand: mit musikalischem Ernst ebenso wie mit ansteckender Leichtigkeit. Frenetischer Jubel, wie bei einem Popstar, belohnte das Können dieses Klassik-Influencers, den manche für einen reinen Youtuber hielten.
Nach dem Konzert ist klar: Sumino ist mehr als nur ein Internet-Sternchen, sondern auch ein realer Virtuose auf der Bühne, auf der neben dem obligatorischen Flügel noch ein Klavier steht. Aufgeklappt, denn bei einigen Stücken weicht Sumino auf sein eigenes Instrument aus. Besonders bei seinen eigenen Stücken, die überwiegend Wohlfühl-Miniaturen sind, Glitzern und sphärisches Gleiten inklusive. All das klingt intimer als auf dem auf Hochglanz getrimmten Steinway.
Noch blieb der Tonhallen-Rang geschlossen. Doch vermutlich werden bei seiner nächsten Tournee die Karten blitzschnell ausverkauft sein. Zumal er gerne in gepflegtem Englisch Publikum und Veranstalter umschmeichelt. Die Tonhalle als ehemaliges Planetarium passe ideal zu seiner Musik. So plaudert er entspannt, ohne Pose, eher imponiert seine Bescheidenheit, wenn er sich über die vielen Besucher freut. Geschickt auch, dass er nach seinem Programm mit einer Zugabe an Mozarts Todestag (27. Januar) erinnert und dessen Variationen über das Kinderlied „A vous diriai-je, maman“ (Melodie von „Morgen kommt der Weihnachtsmann“) zum Besten gibt.
Natürlich in einem Sumino-Arrangement, bei dem seine Finger nahezu schwerelos über die Tasten zu fliegen scheinen und Virtuosität wie eine Selbstverständlichkeit über die Rampe kommt. So auch in den technisch anspruchsvollen Konzertetüden von Nikolai Kapustin: Unangestrengt, manchmal verspielt klingt es bei ihm, selbst bei komplizierten Rhythmen verliert er nicht seine Leichtigkeit.
Alles fließt oder swingt, es scheint ihm leicht zu fallen – Hayato Sumino, dessen Karriere als siebenjähriger Junge begann, der stets seine Videos im Internet hochlud und der vor einigen Jahren durch den Sieg bei Japans größtem Klavierwettbewerb die Aufmerksamkeit der Agenturen auf sich zog. Als wäre es für ihn nur ein Klacks oder eine schlichte Fingerübung – so schüttelt er die c-Moll-Partita von Bach aus dem Ärmel wie auch sein massiv und dramatisch aufbäumendes Arrangement des Bolero für einen Flügel.
Parallel benutzt er auch sein Klavier, das er für den Rhythmus-Schlag des Bolero präpariert hat. Er beginnt in komplett verdunkelter Tonhalle, dann hellt es sich Takt für Takt auf. Und Pianist und Publikum sitzen beim donnernden Schluss-Akkord beinah in tagheller Beleuchtung. Hier liefert der Künstler eine großartige Inszenierung, denn Sumino setzt bei Ravel auf Saft und Kraft. Auf kerniges, aber nicht klirrendes Fortissimo.
Und seine eigenen Werke? „New Birth“ und „Recollection“ rauschen hier und da wie Rachmaninow oder schmachtende Filmmusiken. Manchmal sind Jazz-Anleihen nicht zu überhören. Sumino-Stücke mit viel Gefühl eignen sich jedenfalls zum Wohlfühlen oder Chillen. Bei so viel süffigen Sounds stört selbst Kitsch keine Sekunde. Was bleibt? Jubel und stehende Ovationen für einen modernen vielversprechenden Künstler.