Ausstellung „Farbrausch" Wie Farben berauschen können

Düsseldorf · Die außergewöhnliche Ausstellung „Farbrausch" im Düsseldorfer Kunstpalast zeigt 70 Klassiker der Farbfeldmalerei.

Kunstwerke mit puren Farben zeigt die Ausstellung „Farbrausch“ im Düsseldorfer Kunstpalast ab heute und bis zum 30. März 2025. Hier ein Bild von Kenneth Noland, einer der bedeutendsten amerikanischen Maler des 20. Jahrhunderts. Er starb 2010.

Foto: epd/Wilfried Meyer

Felder – quadratisch, drei- oder rechteckig, Linien, Kreise, Sexagone oder organische Formen, die wie große Blasen über die Leinwand schweben: häufig in klaren, leuchtenden Farben, manchmal in komplementären Farb-Zusammenstellungen. Dann wieder Rot-Blau-Gelb, Schwarz-Weiß-Rot, Orange-Schwarz oder in verschwommenem Gelb-Rot. Wie sinnlich und beflügelnd abstrakte Malerei sein kann, das beweisen mehr als 70 Arbeiten rund um das Thema Feldmalerei. In acht Räumen in der oberen Etage des Düsseldorfer Kunstpalasts können die Besucher in einen „Farbrausch“ geraten. So der Titel der Ausstellung mit Werken aus der „Stiftung Sammlung Kemp“. Ergänzt wird die Schau durch Bilder aus der hauseigenen Kunstpalast-Sammlung.

Letztere ist in punkto Nachkriegszeit (Informal Art etc.) der 1950er/ 1960er Jahre bundesweit führend. Zu verdanken sicherlich auch dem kunstbegeisterten Willi Kemp (1927-2020), der in seinem Leben mehr als 3000 Werke erworben hatte. Der frühere Steuerberater und Künstlerfreund, der häufig direkt im Atelier kaufte, schenkte 2011 dieses stattliche Konvolut dem Groß-Museum im Düsseldorfer Ehrenhof. Ohne derartige Schenkungen, so Museumschef Felix Krämer, gäbe es in den meisten kommunalen Museen (nicht nur in NRW) kaum noch Bewegung. Um nicht zu sagen Stillstand.

Hintergrund: Angesichts schrumpfender Kultur-Budgets und in Abständen immer mal wieder explodierender Preise auf dem Kunstmarkt fehlt fast allen Städten das nötige Kleingeld für Neu-Erwerbungen von museumswürdiger Kunst.

Bis zum 30. März 2025 sind 70 Werke der Kemp-Sammlung ausgestellt: Sie stammen von 30 Künstlern, darunter zwei Künstlerinnen, aus knapp 100 Jahren (1922-2018). Mit dieser letzten Abteilung ist nun der komplette Düsseldorfer Kunstpalast in allen Flügeln und auf allen Ebenen wiedereröffnet. So viel unterschiedliche Kunstrichtungen und Sammlungen (inklusive Glaskunst), vereint auf einem Platz, gibt es vermutlich hierzulande nur in diesem Gebäudekomplex direkt am Rhein.

Beim Gang durch die Kemp-Collection erkennt man schnell, dass dieses Genre – anders als spontan gestisch zupackender, abstrakter Expressionismus – durch eins besticht - durch Farbe. In der Machart mathematisch berechnet und vorgeplant. Dabei produzieren einige Studien zur Wirkung von Farbe auf den Menschen. Wie ein Betrachter etwa reines Grün erlebt, wie seine Sinne auf Orange oder Schwarz reagieren. Und Kemp begann in den 1960ern zu sammeln – just als sich die Farbfeldmalerei, von Amerika kommend, an deutschen Kunstakademien (auch in Düsseldorf) entwickelte und verbreitete.

Für internationales Flair sorgen eine Reihe von Kleinformaten von Yves Klein (in Rot, Gold und eines im Yves-Klein-Blau), die sinnlichen Farbmischungen auf Felder-Tafeln und organische Gebilde als Lithografien von Elsworth Kelly. Ebenso ein Frühwerk von Frank Stella („Lake City“ von 1963) – eine streng geometrische Dreikant-Tafel in Kupferfarbe.

Unter der Fläche schimmern winzige Kupfer-Körner hervor. Ein Klassiker ebenfalls – auf Kunstauktionen sicherlich bei sechs- bis siebenstelligen Preisen aufgerufen – auch das Streifenbild „Cat Walk“ (1965) von Gene Davis (1920-1985). Der Amerikaner stellte eine vibrierende Fläche her – aus zig hinunterfließenden Acryl-Linien in vielfältigen Schattierungen von Grün, Türkis, Gelb und Orange. Von Weitem meint man, die Leinwand von knapp zwei Meter 50 Breite würde sich bewegen.

Zu den Tops und Kunstmarkt-Dauerbrennern zählen ebenfalls einige rheinische und in Düsseldorf und Umgebung ansässige Maler und Bildhauer. Legendär sind die farbigen Kissen-Skulpturen von Gotthard Graubner (1930-2013), die in kaum einer Museumssammlung fehlen dürfen. Ebenso Kult die Farbflächen von Hermann Josef Kuhna (bekannt durch die mit Tausenden von Punkten betupfte Mauer auf der Rheinufer-Promenade), und von Ulrich Erben. Star immer noch Imi Knoebel – vertreten mit der raumgreifenden Installation mit raumhohen Farbtafeln („Three Roses“ von 2007). Dieses Knoebel-Opus steht am Ausgang der Ausstellung – zusammen drei viereckigen Pfeilern in Schwarz, Weiß, Rot von Fritz Klingbeil.

Außergewöhnliche Gebilde fertigte auch Winfried Gaul (1928-2003) an. Dessen Sechseck in Dispersionsfarben auf Spanplatte gleicht einer ästhetischen Wand-Skulptur aus Lila-, Gelb- und Orange-Tönen. Und erinnert, rein von der Konstruktion her, an ein Stopp-Schild. Dieses „sex-a-gon IV 1967“ ist Sinn- und Titelbild (und Plakatmotiv) der Ausstellung. Streng gebaut sind die meisten die Farbflächen-Tableaus von Gaul, aber ebenso von Josef Albers (1888-1976).

Der gebürtige Bottroper war Pionier der Farbmalerei und Pädagoge: Er bevorzugte die dunklen mehrdimensionalen Kubus-Konstruktionen aus Grün, Dunkelgrau und Schwarz, die Architekturmodellen ähnlich sind.

Ästhetisch und dekorativ die Wand mit den Farb-Rechtecken in Orange-Rot-Rosa-Gelb-Blau-Tönen von Rupprecht Geiger (1908-2009) aus den 60er Jahren. Als Architekt und Bildhauer experimentierte Geiger mit Schattierungen, baute Skulpturen aus geometrischen Formen, von denen zahlreiche Auftragswerke noch heute in München im öffentlichen Raum zu bewundern sind.

„Farbrausch“ 70 Bilder, Grafiken und Skulpturen aus der Sammlung Kemp. Bis 30. März. Di.-So. 11-18 Uhr, Do. bis 21 Uhr. 16 / 12 Euro für alle Ausstellungen. Katalog: 29,80 Euro.