Jubel in Düsseldorf für die farbenprächtige Inszenierung des norwegischen Bühnenstücks Ibsens Nora als Barbie-Puppe in Pink

DÜSSELDORF · „Pink, pink, pink sind alle meine Kleider…“ Das alte Kinderlied könnte „Nora“ als Mädchen mal gesungen haben. Wenn die Titelfigur des gleichnamigen Henrik-Ibsen-Dramas vor 145 Jahren schon die Barbie-Puppe gekannt hätte.

Vermeintliches Eheglück mit Caroline Cousin als Nora und Sebastian Tessenow als Torvald.

Foto: RP/Sandra Then

Oder gar die Verfilmung von 2023. Den Streifen gesehen hat vermutlich aber Felix Krakau, der am Düsseldorfer Schauspielhaus das damals progressiv feministische Bühnenstück des norwegischen Dramatikers in Szene setzte – in einer Ästhetik, die stark an „Barbie“ angelehnt scheint. Denn seine Nora trägt anfangs am Liebsten Bonbon-Rosa. Mit Schleifchen.

Warum feministisch? Nora, Ehefrau von Torvald Helmer, befreit sich innerhalb des intensiven 95-Minuten-Theaterabends von Frauchen- und Püppchen-Klischees, mit denen ihr Mann sie bevormundet. Am Ende zerreißt Nora die Bande. Sie verlässt Mann, Kinder und das Haus, das für sie jahrelang als „Puppenhaus“ sichere Heimstatt war. Vorbei ist es mit dem Barbie-Puppen-Lächeln. Entschieden, in streng rotem Dress, bricht sie auf, um herauszufinden, was und wen sie will.

Als Darstellerin gelingt Caroline Cousin diese Läuterung vom scheinbaren Heimchen hin zur Frau, die nicht länger als nützliches, aber unmündiges Anhängsel eines Bankadvokaten dienen will. Sondern unabhängig in die Welt zieht. Heute regt das keinen mehr auf, zu Ibsens Zeiten noch sorgte das Unhappy End für einen Theaterskandal.

Felix Krakaus sensible Erzählweise, Personenführung und überwiegend werkgetreue Inszenierung (Übersetzung: Hinrich Schmidt-Henkel) und Choreografie wirken wie ein musikalisch umhülltes Kammerspiel, angereichert mit Film-Projektionen und permanentem Farben-Wechsel. Viel Jubel nach der Premiere für alle.

Lärchen zwitschern, sommerliche Wolken ziehen ihre Bahnen über strahlendes Himmelblau. Idylle pur. Wie im Kino öffnet sich nach jedem Farbwechsel die Wolken-Leinwand: Wir sind bei den Helmers. Optisch ist das Ganze ein in sich geschlossenes Meisterwerk von Ausstatter Florian Schaumberger und von Jenny Theisens originelle, vom Barbie-Film beeinflusste Kostüm-Parade. Verstärkt durch leise Geräusche und chillige, ruhig perlende Akkorde (Musik: Thomas Klein).

Im Hause des gerade ernannten Bankdirektors Helmer begegnet uns Nora in Pink – von Anfang an als überschwängliche, leicht nervöse, aber doch beherzt zupackende Frau. Nora tut alles für Torvald. Machte heimlich Schulden, um dem todkranken Ehemann einen Aufenthalt in Italien zu finanzieren. Er darf vom Kredit nichts wissen, weil er als Advokat irgendeine Abhängigkeit kategorisch ablehnt. In diesen mulmigen Konflikt platzt die alte Freundin, Frau Linde. Von Luise Zieger in kariertem Dress und gestelzt gespielt – mit abgewinkelten Händen und schräger Kopfhaltung – wie eine Barbie-Puppe.

Nur anfangs marionettenhaft: Sebastian Tessenow als Tovald, im Outfit von Barbies Freund Ken mit geöltem und pechschwarzem Gummischeitel. Nach und nach kommen die illegalen Umstände heraus, unter denen Nora Geld für seine lebensrettende Kur besorgt hatte. Sie lieh sich eine große Summe bei Torvalds früherem Schulfreund Krogstadt (Kilian Ponert), ebenfalls Anwalt, der aber wegen zwielichtiger Betrügereien in Schimpf und Schande lebt. Der aalglatte Widerling hat Nora in der Hand, weil sie ebenfalls die Unterschrift des Vaters unter den Schuldschein fälschte. Hintergrund: Ihr Vater war damals vom Tode gezeichnet.

Erstaunlich, wie eiskalt und rasant Torvald im letzten Teil seine geliebte Nora abserviert und auch als Mutter kaltstellt. Doch als er sich entschuldigt, weil der Schuldschein vernichten kann, ist das Tuch zerschnitten. Unwiederbringlich. Eine starke Szene – anrührend, wenn auch unsentimental gespielt von Caroline Cousin und Sebastian Tessenow. Fazit: Szenisch und farblich ein Erlebnis, schauspielerisch packend.

Termine: 29. Nov., 8., 25., 31. Dez.