Stifter Eberhard Robke übergibt Meisterwerk des in Deutschland lange umstrittenen Weltstars der Kunstszene an das Von der Heydt-Museum Anselm Kiefer ist jetzt in Wuppertal
WUPPERTAL · . Eberhard Robke kann sein Glück bis heute kaum fassen. Der Kunstmäzen und Musikliebhaber besuchte im Sommer die Salzburger Festspiele: Er hatte am 21. August Karten für Offenbachs „Hoffmanns Erzählungen“ im großen Salzburger Festspielhaus.
Beim Blättern durch das Opern-Programmbuch entdeckte er die Abbildung eines Bildes aus der neuen Serie „Mein Rhein“ von Anselm Kiefer. Eine abstrahierte, aber aufwühlende Landschaft in leuchtenden Türkis- und Braun-Schattierungen und in massiven Farbschichten aufgetragen. Und oben mit Blattgold-Rand versehen. „Ich fühlte mich wie vom Blitz getroffen“, erzählt der Wuppertaler Unternehmer, der jetzt – im Namen seiner Stiftung – den gerade erworbenen Kunstschatz dem Von der Heydt-Museum in seiner Heimatstadt als Dauer-Leihgabe überreichte.
„Anselm hic fuit“ (Anselm war hier) – beherrscht jetzt die Frontwand des Raums „Zeiten und Räume“, in der Klassiker der Landschaftsmalerei aus mehreren Jahrhunderten aus der renommierten Von der Heydt-Museumssammlung zu bewundern sind. Entstanden ist Kiefers Gemälde zwischen 2015 bis 2023 – in beinah raumsprengender Größe von knapp drei mal vier Metern. Wie er an das Bild gekommen ist, klingt wie eine Aneinanderreihung glücklicher Umstände, ist aber auch Beweis für wachen Geist, spontane Begeisterungsfähigkeit und konsequente Beharrlichkeit.
Robke berichtet: „Nach unruhiger Nacht“ telefonierte ich am nächsten Morgen, 22. August, 10.15 Uhr, mit Thaddeus Ropac.“ Zwei Stunden später stand er im Galerie-Palais des weltweit agierenden Kunsthändlers, der die meisten der zwölf Werke bereits verkauft oder vorreserviert hatte. Das Gemälde „Anselm hic fuit“ wollte ein US-amerikanisches Museum erwerben. Doch als Robke sagte, dass er das Bild für das Wuppertaler Von der Heydt-Museum kaufen wollte, wendete sich plötzlich das Blatt.
Denn der deutsch-österreichische Maler und Bildhauer Kiefer (1945 in Donaueschingen geboren) ist seit Jahrzehnten hierzulande umstritten, auch wegen seiner provokativen Konfrontation mit der NS-Vergangenheit. Weil er gegen Tabus verstößt, wie auf dem Selbstporträt „heroische Sinnbilder“ mit Hitlergruß von 1969, und wegen seiner bildnerischen Auseinandersetzung mit germanischer Wagner-Mythologie im Monumental-Format. Bis heute ist er bei uns, beim breiten Publikum, weniger bekannt als in seiner Wahlheimat Frankreich und den USA, wo die Mehrheit der Anselm-Kiefer-Sammler sitzen. In der Neuen Welt hatte er bereits vor 35 Jahren, 1988/89, umfassende Ausstellungen mit seinen bis zu sieben Meter langen Mega-Formaten (wie „Deutschlands Geistesleben“) an ersten Adressen, zum Beispiel im New Yorker Moma (Museum of Modern Art).
Um in seiner Heimat nun präsenter zu sein, räumt Kiefer mittlerweile deutschen Museen eine Art Vorkaufsrecht ein. Das war das Glück für den Wuppertaler Robke. So rief Galerist Ropac den amerikanischen Interessenten an. Da dieser den Kaufpreis bis 18 Uhr nicht aufbringen konnte, „war zehn Minuten später das Objekt der Begierde in unserem Besitz“, berichtet Robke, dessen Stiftung seit 2005 dem Von der Heydt-Museum immer wieder Kunstschätze als „Dauer-Leihgabe“ überlässt.
Die Benachrichtigung an den Museumschef schickte er um 18.11 Uhr raus, erinnert er sich. „Diese Whatsapp werde ich nie löschen“, sagt Roland Mönig. Denn es ging alles so schnell. Vor zwei Wochen erst endete die Salzburger Ausstellung. Und jetzt hängt das geheimnisvolle und mythisch aufgeladene Bild in Wuppertals Pracht-Tempel. Mönig: „Ich hätte nie zu hoffen gewagt, eines Tages ein Werk von Anselm Kiefer für unser Haus zu erwerben.“
Hintergrund: Die meisten Museen haben seit vielen Jahren keinen Ankaufsetat mehr für derartig kostspielige Ankäufe. Und sind abhängig von Kunstsinn und Großzügigkeit, von Spürnase und Leidenschaft eines Mäzens. Der Preis? Natürlich schweigt des Stifters Höflichkeit über die Summe. Beim Blick aber auf internationale Auktionsergebnisse erahnt man, dass Kiefer-Gemälde oder Skulpturen locker sieben- bis achtstellige Summen erzielen können.
Zurück zu dem Meisterwerk aus Kiefers Werkserie „Mein Rhein“. Die schwarzen Buchstaben „Anselm war hier“ (Anselm hic fuit) werden gekrönt von einem breiten länglichen Streifen Blattgold am oberen Bildrand. Das schimmernde Rheingold – eine Anspielung an Richard Wagners „Ring des Nibelungen“ – taucht ein, wie Museumschef Roland Mönig sagt, in „tropische Farbigkeit“ des Rheins. Der „heilige Strom“, wie Heinrich Heine den Rhein einst nannte – war für Kiefer seit seiner Jugend ein faszinierendes Mysterium.
Wild quellen die gemischten Schichten aus Emulsion, Ölfarbe, Acryl, Schellack und Sedimenten von Elektrolyten. Das bronzierte Türkis erinnert an Flüssigkeit, die alten Batterien entweicht. Die Materialschichten wabern und schlingern über die Oberfläche, strahlen aber von Weitem und lassen den Betrachter so schnell nicht los. Wie meist, so gibt Anselm Kiefer auch auf diesem Bild mit seinen handgeschriebenen Wörtern Rätsel auf.
Möglicherweise sind es Verweise auf die berühmten Rheintöchter oder Nornen. Um das herauszufinden, wird Roland Mönig bald mit Kiefer Kontakt aufnehmen. Wäre ja möglich, dass dabei eine Anselm-Kiefer-Ausstellung im Von der Heydt-Museum zur Sprache kommt. Sicherlich ein Knüller wäre das, nicht nur für Wuppertal.