Düsseldorfer Schauspielhaus, Kleines Haus: „Mephisto“-Roman über Gustaf Gründgens und Klaus Mann versinkt im Comedy-Trash Viel Klamauk, Dosenbier und wenig Substanz

DÜSSELDORF · . Auf der Kleinen Bühne im Düsseldorfer Schauspielhaus werden jetzt Geduld und guter Wille auf die Probe gestellt. Genauer: überstrapaziert. Da tummeln sich Klaus Mann, Übervater Thomas Mann, Dora Martin oder Schwester Erika Mann, Hendrik Höfgen (dahinter verbirgt sich Gustaf Gründgens).

Szene aus „Man muss sich Mephisto als einen glücklichen Menschen vorstellen“: Thomas Schubert, Julian Sark, Mila Moinzadeh, Cathleen Baumann, Blanka Winkler, Claudius Steffens (v.l.)

Foto: Sandra Then

Alle hampeln und strampeln herum, fallen übereinander her. Rüpel rülpsen, zischen Bier aus der Dose. In kurzen Höschen und Warnwesten in Orange tänzeln sie schreiend oder blökend auf dem Vulkan oder klimpern auf dem Klavier. Klaus Mann, eifersüchtig lauernd auf jeden, der sich „seinem“ Gustaf (Hendrik) nähert. Die Kulisse: viel Müll vor und hinter der Bühne. Daneben eine Grabplatte mit Inschrift von Klaus Mann und Grab-Steine oder -Stelen mit den Namen Bernd Aichinger, Björn Höcke und Olaf Scholz. Untergangsstimmung überall. Dazu passt, dass beinah alle Figuren am Bühnen-Galgen enden. Baumeln, kurzes Zappeln. Dann klettert die Truppe quietschfidel die Treppe vom Schafott wieder hinunter.

Gut 110 Minuten dauert dieser seltsam verquirlte Kasperle-Klamauk voller Geschmacklosigkeiten und postpubertärer Blödeleien unterhalb der Gürtellinie – rund um eines der berühmt berüchtigtsten Männer-Paare des 20. Jahrhunderts – dem Düsseldorfer Gustaf Gründgens, Großmime und Nazi-Theater-Staatsrat und seinem Geliebten, dem Thomas-Mann-Sohn Klaus.

Szenen zusammengeschnipselt aus Klaus Manns „Mephisto“-Roman von Jan Eichberg und inszeniert von Filmkünstler Jan Bonny. Unter dem Titel „Man muss sich Mephisto als einen glücklichen Menschen vorstellen“ mischen die beiden kurze Szenen aus dem Roman mit mehr oder weniger geschmackloser Kabarett-Satire über die heutigen Gefahren für unsere Demokratie von Rechts Außen, AFD und Co.

Die Weidels und die Höckes bekommen ihr Fett ab, werden auf die Schippe genommen und auf die gleiche Comedy-Stufe gestellt wie scheinbar persönliche Feindbilder der Verfasser. Kaum nachvollziehbar, wie Eichberg und Bonny allen Ernstes Rechtsextreme in gleichem Atemzug nennen wie Olaf Scholz und Bernd Aichinger, den Regisseur des preisgekrönten „Der Untergang“ (über die letzten Tage im Führerbunker). Eine Entgleisung, zu der es in einem öffentlich subventionierten Theater nicht kommen darf.

Mal Kabarett, mal Comedy mit beißender Satire, dann wieder anrührende Szenen über Klaus und Gustaf, die teilweise aus dem „Mephisto“-Roman stammen. Die existenzielle Frage ihrer Liebe schwingt immer wieder durch einzelne Szenen: Warum Gründgens, wie angeblich versprochen, seinem Freund Klaus Mann nicht ins Exil nach New York folgt, stattdessen Karriere als Staatsrat des braunen Kultur-Managements macht und ein Luxusleben führen durfte, von Görings und Hitlers Gnaden. Und nach 1945 weitermacht – unter anderem als Kult-„Mephisto“ in Goethes Faust- und als erster Generalintendant das Düsseldorfer Schauspielhaus zu Glanz und Gloria führt. Klar, dass angesichts dieser Laufbahn Gründgens’ 125. Geburtstag für Eichberg und Bonny kein Anlass zum Jubeln ist.

Sicherlich eignen sich Figuren wie Mann und Gründgens für eine seriöse wenn auch leicht komödiantische Bühnen-Auseinandersetzung mit der großen Gefahr, die für frei atmende Kultur von autoritär-faschistischen Regimen ausgeht. Ebenso wie die Gefahr von eingängigen, allzu einleuchtenden AFD-Parolen und von deren Vertretern. „Warum sind wir wieder so weit?“ Ein denkwürdiger berechtigter Satz, der permanent wiederholt wird – aber wie ein Fremdkörper wirkt in dieser hysterisch aufgeladenen Zirkus- und Verkleidungsshow mit zotteligen Perücken und Kunstbusen.

Ein Hauptproblem des Abends: Die nachvollziehbaren und vertretbaren Denk-Ansätze des Duos Eichberg/Bonny werden ohne roten Faden einfach zusammengekleistert – zu einem schwer nachvollziehbaren, grellbunten Kuddelmuddel. Das Ganze versinkt in einer feucht-fröhlichen, grell überschminkten Trash-Comedy mit Tendenz zum Chaos. Nicht zu vergessen das Übermaß an Gesten und sprachlichen Versatzstücken aus der Comic-Welt. Schade für die exzellenten Darsteller, die sich für so wenig echte Theater-Substanz ins Zeug werfen und alle ulkigen Clownereien mitmachen (müssen). Allen voran Cathleen Baumann in zahlreichen Rollen, Claudius Steffens als leidender Klaus Mann und Thomas Schubert als wendiger, aalglatter, dann wieder zorniger Hendrik Höfgen.

Jubel für die Schauspieler beim Schlussapplaus und erstaunlich wenig Buh-Rufe für das Regie-Team.

„Man muss sich Mephisto als einen glücklichen Menschen vorstellen“: Termine: 26. Oktober, 2., 10. und 12. November, 5. Dezember. Tickets unter Telefon: 0211/ 36 99 11