In die Düsseldorfer Premiere platzte Lindners Entlassung und das Aus für die Ampel Jubel für historischen Kom(m)ödchen-Abend
DÜSSELDORF · . Trump siegt auf ganzer Linie, Lindner wird gefeuert, die Ampel ist geplatzt. Neuwahlen in Sicht. Geplatzte Koalitionsverhandlungen in Sachsen. Alles an einem Tag. Ein bisschen viel auf einmal. Nicht nur Bürger und Politiker kommen da kaum noch mit.
Auch für das Kom(m)ödchen dürfte die Premiere von „Don’t look back. Jahresvor- und Rückblick“ am 6. November als historische Vorstellung in die Kabarett-Annalen eingehen.
Zumal es die erste Ensemble-Premiere unter der neuen Leiterin, Luzie Lorentz, war. Vorab: Jubel und lange Ovationen für einen dicht gedrängten Polit-Pointen-Marathon bewiesen den vollen Erfolg für Susanne Pätzold, Heiko Seidel, Daniel Graf und Martin Maier-Bode und für Haus-Autor Dietmar Jacobs. Ebenso für die neue Chefin, die Enkelin der Kabarett-Gründer.
Eigentlich hatten die vier Darsteller auf der Bühne alle Hände und Köpfe voll zu tun mit dem überraschend eindeutigen Sieg des Populisten Donald Trump bei den Wahlen in den USA. Und im Osten mit Sahra Wagenknecht: Pechschwarze, streng zurückgekämmte Hauben-Frisur und feuerrotes Kostüm – in diesem Aufzug erschien sie gleich dreifach, also mit zwei Doubles, und las dem aufgeregt zappelnden Markus Lanz die Leviten.
Susanne Pätzold
läuft zu Hochform auf
Keinen Widerspruch duldete sie – Susanne Pätzold läuft hier zu Hochform auf. Auch ihre geklonten Doubles pfeift Wagenknecht mit eiskaltem Lächeln zurück. Eine grandiose Slapstick-Travestie-Nummer mit gepfefferten Spitzen gegen Sahra Wagenknecht – sicherlich der Knüller, zumindest im ersten Teil. Ohrwurmtauglich auch ihr Song, „Ich bin ein Hecht, die Wagenknecht. Es wird nicht easy für Gregor Gysi“.
Doch dann kam in der Pause die Nachricht von der überraschenden Entlassung des Finanzministers Christian Lindner durch Kanzler Scholz. Und vom Aus der Ampel-Koalition. Informiert wurden einige durch ihr Smartphone in der Pause im Foyer des Traditions-Kabarett-Hauses in Düsseldorf. Wie ein Lauffeuer sprach sich die Meldung herum. Und viele – darunter auch Düsseldorfs OB Stephan Keller – waren darauf gespannt, ob und wie die Kabarettisten diese Meldung spontan aufnahmen.
Klar, dass neben Susanne Pätzold, Heiko Seidel und Daniel Graf als erster (Autor und Darsteller) Martin Maier-Bode Bezug darauf einging. Ohne Einleitung. „Kinder, habt Ihr’s mitbekommen?“, wirft er mit vielsagendem Grinsen in die Publikums-Runde. Einige ohne Handy raunten überrascht. Dann ging es sofort um Neuwahlen (obwohl diese Nachricht erst nach der Vorstellung übers Netz kam). Und ein Blick in die Glaskugel von Moderator Jörg Schönenborn. Leicht vorgebeugt an einer Digital-Tafel doziert er die Schlüsse, die man aus Prognosen und Sonntagsfragen ziehen könne. Kein Wunder ist: Bei dieser süffigen Parodie auf den gelehrig lehrenden Rundfunk- und TV-Mann bekam auch gleich mal vorab (als Vorschau) der potenziell nächste Kanzler sein Fett ab. Friedrich Merz. Kein Scherz. Beim Thema AFD und Co. und die Gefahr für die Demokratie ging es zur Sache, manchmal mit sprachlichen Entgleisungen.
Schon im ersten Teil wurden (neben Annalena Baerbock) der Kifferclub und die Cannabis-Legalisierung durch den Kakao gezogen. Ebenso wie die FDP und ihr Vorsitzender Lindner. Diagnose: ADHS-Symptome. Und Lindner stets mit Blick auf Merz. Auf die Schippe genommen dann Dauerbrenner wie die immer wieder verzögerte Digitalisierung, Glasfaser, Liebe vieler Behörden zu Faxgeräten. Die verzweifelte Suche nach Wlan karikieren sie mit einer swingenden Tanznummer im Stil der 1950er Jahre. Bei Bahnverspätungen und Infrastruktur-Desaster gehen zwei Rucksack-Touristen auf Welt-Tour, von Düsseldorf nach Düren.
Beim Rückblick darf die neudeutsche Streik-Lust nicht fehlen. Auf den Punkt mimt Susanne Pätzold eine überforderte Streik-Organisatorin, deren Telefone heiß laufen. Ob ein sächselnder, dreister Lokführer (à la Claus Weselsky), Müllabfuhr, Ärzte oder Friseure. Alle wollen bei ihr einen Streiktermin verabreden. Das endet im Chaos, ähnlich wie beim Dschungel von Zigtausenden Bau-Vorschriften, die den Wohnungsbau nahezu lahmlegen. So bleibt einigen nur die Flucht in einen mannshohen klappbaren Umzugskarton. Weihnachtsgerechte Satire dann beim Abgesang der Heiligen Drei Könige auf die Ampel. In leuchtender Seide in Rot, Grün und Gelb. Johlen und Bravorufe auch für den final fetzigen Liebessong auf die SPD von Susanne Pätzold als Andrea Berg mit knatschengen knallroten Lackstiefeln. Fazit: ein historischer Kabarett-Abend des Ensembles. Bleibt nur eins: Karten bestellen!
„Don’t look back“. Bis 9. März 2025. Kom(m)öchen, Kay- und Lore-Lorentz-Platz. Tickets: unter Telefon: 0211/32 94 43.