Kultige Zeitreise So war es bei BAP in Düsseldorf: „Weißte noch?“

Düsseldorf · Da ploppen Erinnerungen auf: BAP nimmt in Düsseldorf die gealterten Fans mit auf eine Zeitreise in die 1980er Jahre. So war das Konzert in der Mitsubishi-Electric-Halle.

BAP-Frontmann Wolfgang Niedecken auf der Bühne.

Foto: dpa/Oliver Berg

Wolfgang Niedecken, der Frontmann von BAP, gibt am Anfang des Konzerts in Düsseldorf ein Versprechen. Wenn die Menschen nach Hause gehen – nach drei Stunden (ohne Pause) – dann werden sie 40 Jahre jünger sein. Natürlich kann der selbst in die Jahre gekommene Kölschrocker (73) dieses Versprechen nicht halten. Wohl aber nimmt er die Menschen mit auf eine Zeitreise. Eben so lautet nämlich auch der Titel der aktuellen Tournee.

Schaut man sich um im Konzertsaal, so ist klar: die Allermeisten haben die an diesem Abend gespielten 30 Stücke schon vor Jahrzehnten gehört und gefeiert. Und jetzt wollen sie noch einmal in ihren jeweiligen Erinnerungen schwelgen. Da sitzen sie nun nebeneinander: Klaus denkt an seine Studentenzeit in Münster, Peter an seine damals volle Haarpracht. Und wie die beiden noch Tennis spielten und Party machten. Und was sonst noch alles anders war. Damals.

Und so fliegt das Publikum bei dieser Zeitreise schnittig eine Jahrhundertwende, landet in den frühen 1980er Jahren. Alles, was BAP an diesem Abend spielt, stammt nämlich von zwei Alben aus der großen Zeit des Durchbruchs der Band 1981 und 1982: „Für Usszeschnigge“ und „Von drinne noh drusse“, so die für Mundartkenner leicht zu übersetzenden Titel der Schallplatten. Ja, auf solchen Tonträgern kam die Musik damals noch zum Publikum.

Warum BAP diese Idee des Sich-Selbst-Coverns (obwohl es viel mehr ist) verwirklicht hat, erklärt Niedecken gleich zu Beginn des Konzerts. Er berichtet von Auftritten, die ein paar Jahre zurückliegen und bei denen neue Nummern sich mit Songs aus den frühen Achtzigern abwechselten. „Was da abging, war unvorstellbar. Ich habe Leute im Publikum weinen sehen. Und die Menschen wurden schlagartig 40 Jahre jünger.“

Nun lässt sich der biologische Prozess am Ende doch nicht umdrehen. Das wussten auch die Veranstalter und hatten den Innenraum der voll besetzten Mitsubishi-Electric-Halle bestuhlt. Was zu einem ungewöhnlichen Auf und Ab führte: Rockten die Musiker da vorn so richtig los wie beim legendären „Waschsalon“, bei „Ne schöne Jroos“ oder bei „Frau ich freu mich“, standen sie auf und tanzten.

Erst zögerlich, dann zunehmend aktiv. Bei Balladen wie dem wunderbaren „Eins für Carmen un en Insel“ oder „Do kanns zaubere“ nimmt man halt wieder Platz und guckt ein wenig beseelt. In Richtung Bühne und in die eigene Seele.

Da fallen den gealterten Fans auf einmal wieder all die tief im Gedächtnis vergrabenen Texte ein, mit deren Hilfe sie einst ein wenig Kölsch gelernt haben. Zwischen den einzelnen Stücken erzählt Niedecken (auf Hochdeutsch, mit kölschem Akzent natürlich) immer wieder etwas zu den dahinter stehenden Geschichten. Ein Autounfall zum Beispiel, Liebesnächte am Strand, Nato-Nachrüstung. Oder von Jupp, dem alten Aufschneider. Und dem Stück, das an dem Tag zum ersten Mal gespielt wurde, als Helmut Kohl Bundeskanzler wurde: „Weißte noch?“ heißt es.

Es ist tatsächlich viel mehr als ein Covern alter Melodien. Außer Niedecken selbst ist aus der Zeit von damals ja auch längst keiner mehr dabei. Der Drummer Sönke Reich war noch nicht einmal geboren, als die Stücke geschrieben wurden, zu denen er nun trommelt. Was Niedecken geschafft hat: Durch das Zusammenstellen von guten Musikern ist der alte Wein viel besser geworden als das, was damals ausgeschenkt wurde. Da sind drei Musiker mit Blasinstrumenten, die dem Sound eine besondere Würze geben. Das musikalische Multitalent Anne de Wolff spielt virtuos auf ihren diversen Instrumenten.

Es gibt überraschende Ideen, Verschnörkelungen und Varianten der alten Stücke. Und ein Medley, das den alten Bob-Dylan-Klassiker „Hurricane“ in das frühe BAP-Stück „Stell dir vür“ übergehen lässt. Diesen sarkastischen Song über die damalige Gewissensprüfung bei der Kriegsdienstverweigerung. „Nit für Kooche“, eigentlich ein Karnevalshasserlied, wird im typischen Karnevalsschunkelsound angespielt, die Musiker setzen sich Narrenkappen auf. Und dann kommt, erlösend, der Wechsel in den alten Hard-Rock.

Das Stück „Kristallnach“ über die Judenpogrome 1938 verursacht immer noch, zumal in diesen unguten politischen Zeiten, dieses widersprüchliche Gefühl: Ein eindrücklich-anklagender Text, gleichzeitig ein mitreißender Rhythmus. Aber darauf darf man doch nicht tanzen? Entsprechend zurückhaltend sind die Menschen denn auch.

Bei dem Superhit der Kölner Band „Verdamp lang her“ darf man sich dann wieder ausschütteln. Obwohl es ja auch da um Melancholisches geht – die Erinnerung des Sängers an seinen Vater.

Ach ja, alles verdammt lang her, aber schön ist sie schon, eine solche Zeitreise. Die Besucherinnen und Besucher sehen genauso alt aus wie vorher. Aber jlöcklicher, wie der Kölner sagt.