Buchhandel in Düsseldorf Junge Menschen lesen nicht mehr – oder?
Düsseldorf · Verdrängen Tiktok und Co. das Buch aus Kinder- und Jugendzimmern? Der Düsseldorfer Fachhandel hat andere Erfahrungen.
Angesichts zahlreicher neuer, digitaler Medienangebote könnte man vermuten, dass Instagram, Tiktok oder Snapchat langfristig Bücher ersetzen. Der Düsseldorfer Buchhandel sieht aber noch keine ernsthafte Bedrohung.
„Zu uns kommen genau so viele Jugendliche wie früher“, sagt Antje Westermann, Mitinhaberin des Bilker Buchladens „BiBaBuZe“. Zwar wendeten sich die Zehn- bis Zwölfjährigen eher an größere Buchhandlungen und Ketten, die eine größere Auswahl an Buchserien oder Mangas bieten, aber auch weiterhin suchten viele junge Leser das „BiBaBuZe“auf. Seit 1993 arbeitet Westermann in dem Düsseldorfer Geschäft. Gefragt seien bei Jugendlichen vor allem Romane und Sachbücher zu den Themen Politik – etwa dem Nahostkonflikt –, Umwelt, Gender oder Feminismus.
Westermanns optimistischer Blick auf die Zukunft des Buchhandels wird von verschiedenen Studien bestätigt: Laut der bundesweiten JIM-Studie (Jugend, Information, Medien) des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest (mfps) ist die Anzahl der Jugendlichen, die täglich oder mehrmals in der Woche lesen, in den vergangenen 25 Jahren kaum gesunken. Zuletzt war demnach sogar ein leichter Anstieg zu verzeichnen. Und die Kaufintensität bei den jungen Lesern ist sogar stark angestiegen, wie eine Studie des Marktforschungsinstituts Gfk feststellt: Während 16- bis 19-Jährige 2017 noch durchschnittlich 7,5 Bücher pro Jahr kauften, waren es fünf Jahre später bereits zwölf Bücher.
Das bemerkt auch Heike Funcke, Programmleiterin des Jungen Literaturbüros NRW, das regelmäßig Veranstaltungen für alle im Alter von acht bis 16 Jahren organisiert. Sie sieht aber eine Spaltung des Leseverhaltens: „Einerseits gibt es viele Jugendliche, die – häufig durch Trends in den sozialen Medien beeinflusst – extrem viel lesen, gleichzeitig liest ein großer Anteil überhaupt nicht.“ Viele junge Menschen würden durch den Deutschunterricht in der Schule von der Literatur abgeschreckt, in dem vor allem Klassiker behandelt würden. In den Ausnahmefällen, in denen aktuellere Literatur gelesen werde, sei dagegen deutlich mehr Begeisterung für die Lektüre bemerkbar. Sie empfiehlt deshalb, modernere und Jugendliteratur in die Lehrpläne aufzunehmen.
Anja Urbschat, Gründerin des „Localbook.shop“, der 2021 in der Carlstadt eröffnet wurde, weist auf das unterschiedliche Leseinteresse von Mädchen und Jungen hin: Während selbst Vielleser unter den Jungen mit zwölf oder 13 Jahren plötzlich vollständig das Interesse an der Literatur verlören, griffen gerade in diesem Alter Mädchen verstärkt zum Buch. Sie stellten sogar gut 80 bis 90 Prozent der Leser dieser Altersgruppe. Grund dafür seien vor allem die sozialen Medien, in denen Nischen zum Thema Literatur entstanden seien: Unter Schlagwörtern wie „Booktok“ und „Bookstagram“ empfehlen vorwiegend junge Frauen einander neue Bücher, meist aus Genres wie „New Adult“, „Romance“ oder „Fantasy“. Wichtig sei dabei vor allem der ästhetische Aspekt des Lesens: Bücher müssten haptisch und optisch ansprechend sein. E-Books würden daher kaum gelesen.
Auch diese jungen Leserinnen kauften aber eher bei großen Ketten, mit deren Angebot kleine unabhängige Buchhandlungen nicht konkurrieren können, wie Urbschat sagt. Auch glaubt sie, dass „den jungen Mädchen dort vor allem die Anonymität gefällt“. Dennoch haben sie und ihre Frau im „Localbook.shop“ ein Regal mit „Booktok“-Büchern aufgestellt, um zu signalisieren, dass sie sich für die jugendlichen Leser interessieren und zu „Booktok“-Titeln angesprochen werden können.
Um noch mehr Kinder und Jugendliche zum Lesen zu motivieren, sollten ihrer Meinung nach häufiger Buchclubs und Literaturfestivals organisiert werden, deren positiver Effekt unter anderem bei dem „Bilderbuchfestival“, das der „Localbook.shop“ mitorganisiert, bemerkbar gewesen sei.