„Popkultur findet nicht nur in Berlin statt“, sagte Hamed Shahi zu Beginn des Abends in den Rheinterrassen. Damit hatte der Vorstand des Vereins Music Düsseldorf ein Statement gesetzt. Denn die Branche war zusammengekommen, um den Preis für Popkultur zu feiern, der bislang immer in der Bundeshauptstadt Berlin vergeben wurde.
Es handelt sich dabei um einen Award, der sich bewusst gegen eine kommerzielle Ausrichtung entschieden hat und sich als Alternative zu anderen Preisverleihungen versteht, bei denen vor allem Verkaufszahlen ausschlaggebend sind. Entsprechend trugen die zwölf Kategorien auch Überschriften wie „Lieblingsproduzent:in“, „Gelebte Popkultur“, „Bewegendste Geschichte“ oder „Herausragendes gesellschaftliches Engagement“. Die Preisverleihung war auch der Auftakt zur c/o Pop Convention, die bis zum 27. April in Köln stattfindet.
Glanz und Glamour oder das übliche Schaulaufen der Paradiesvögel, die ihre gewagten Outfits auf dem roten Teppich präsentieren, stand bei dem eher gediegenen Preis für Popkultur nicht im Mittelpunkt. Dafür gab es gleich vom ersten Liveact Gewalt mit ihrem Song „Trans“ ordentlich auf die Ohren. Und das nicht nur durch die Performance, sondern auch im wahrsten Sinne. Denn alle Liveacts waren leider komplett übersteuert und gaben dem Begriff wummernde Bässe eine ganz neue Dimension. Die Lokalmatadore von Paulinko ließen es ebenfalls ordentlich krachen. Wie einst bei Jimi Hendrix ereilte die Gitarre dabei das Schicksal, auf dem Saalboden zu landen.
„Stimme der Generation Z“
war Abräumerin des Abends
Die als hoffnungsvollste Newcomerin nominierte Paula Carolina ging zwar leer aus, begeisterte das Publikum dafür mit gleich zwei Auftritten, darunter als Hommage an Annette Humpe mit einem Cover des Ideal-Klassikers „Blaue Augen“. Die 74-Jährige holte sich den längst überfälligen Preis für ihr Lebenswerk persönlich ab. Annette Humpe gilt als eine der Wegbereiterinnen für die Neue Deutsche Welle in den 80ern und feierte ab 1983 auch als Produzentin von den Prinzen, Lucilectric, Udo Lindenberg oder mit Adel Tawil als Duo „Ich und Ich“ Erfolge. Max Raabe und Udo Lindenberg hielten via Video eine Laudatio auf die vielseitige Künstlerin.
Podcasterin Frau Gretel musste nach eigenem Bekunden „erstmal googeln, was eine Laudatio ist“. Was geklappt hat, denn sie präsentierte den Preis für das „Lieblingsalbum“. Der ging, wie auch die Auszeichnung als „Lieblingskünstler:in“ an Paula Hartmann. Die „Stimme der Generation Z“ war damit die Abräumerin des Abends, nur leider nicht persönlich gekommen, um ihren Preis entgegen zu nehmen. Auch Casper bedankte sich nur per Videobotschaft für die Auszeichnung der „Beeindruckendsten Liveshow“ in Bielefeld 2024.
Dafür freute sich Kim Frank über die Würdigung in der Kategorie „Bewegendste Geschichte“. Denn der Sänger hatte seine Zeit mit Echt in der sehr offen und ehrlichen TV-Dokumentation „Echt – unsere Jugend“ aufgearbeitet. In diesen Momenten wurde auch klar, wie sich der Preis für Popkultur von anderen Verleihungen unterscheidet. Es ist eine Würdigung von Leistungen der Szene für die Szene, die Haltung und Botschaft ins Zentrum stellt. Wie bei Keychange, die den Award für ihr „Herausragendes gesellschaftliches Engagement“ bekamen. Die Initiative setzt sich international für die Gleichstellung der Geschlechter in Musikindustrie und Veranstaltungsbranche ein.
Eine neunköpfige Jury, zu der auch No Angels-Sängerin Nadja Benaissa, Musikjournalist Klaus Fiehe und Produzent Olaf Opal gehörten, wählten die Gewinner in den 12 Kategorien aus. Etwas befremdlich war, dass Jurymitglied Olaf Opal selbst in der Kategorie „Lieblingsproduzent:in“ nominiert war. Den Preis nahm dann zwar Finna entgegen, ein leichter Nachgeschmack blieb allerdings.
Der Düsseldorfer Rapper Koljah von der Antilopen Gang überreichte Tocotronic-Bassist Jan Müller den Preis für seinen Musikpodcast „Reflektor“, in dem er auf Augenhöhe mit Kollegen spricht.
Den Überblick bei all den Veröffentlichungen zu behalten, ist gar nicht so einfach. Deshalb ging die letzte Auszeichnung an diesem Abend an die Macher des Newsletters „Ein Song reicht“, die pro Tag einen besonderen Titel vorstellen. Ausgewählt werden sie von Musikern und anderen bekannten Persönlichkeiten, die ihre Lieblingsstücke präsentieren. Ob der Preis für Popkultur 2026 wieder in Düsseldorf verliehen wird, ist noch
offen.