Bei Borussia-Manager Andreas Preuß setzt die Wehmut ein. Das Vorschlussrundenspiel der Tischtennis-Bundesliga (TTBL) zwischen der Borussia und dem TSV Bad Königshofen (Sonntag, 13 Uhr) ist das wohl allerletzte Heimspiel von Timo Boll. „Es fühlt sich komisch an. Man verdrängt diesen Tag, so lange es geht. Aber jetzt wird es eben real“, meint Preuß. „Man weiß, dass es passiert, aber man will es einfach nicht wahrhaben.“ Boll, siebenmaliger Olympia-Teilnehmer, 19-maliger Europameister, mit den Borussen fünfmaliger Champions-League-Triumphator, 14-facher deutscher Mannschaftsmeister und elffacher nationaler Pokalsieger beendet nach dieser Saison seine beeindruckende aktive Karriere.
„Ich habe mich lange auf diesen Zeitpunkt vorbereiten können. Vor den Olympischen Spielen 2024 hat er es gesagt. Und bei seiner letzten Vertragsverlängerung war auch schon klar, dass es sein letzter Vertrag sein wird. Es geht eine Epoche zu Ende“ so Preuß. „Ich habe mir seine Spiele in dieser Saison mit Freude angesehen und es genossen.“ Die Partie gegen Bad Königshofen ist aber nur dann Bolls letztes Heimspiel, wenn die Gastgeber gewinnen. Dann läge der amtierende Meister in der Halbfinalserie „best of three“ mit 2:0 uneinholbar in Führung. Sollten die Borussen eine Niederlage kassieren, müssten sie am 1. Mai um 15 Uhr an gleicher Stelle nochmal ran. „Die Partie gegen den TSV ist kein Selbstläufer. Das haben wir bei unserem 3:1 bei den Unterfanken gemerkt“, so Preuß. „Aber die Jungs wollen den Finaleinzug unbedingt in zwei Begegnungen hinter sich gebracht haben, damit sie sich in der nächsten Zeit konzentriert auf die Einzel-Weltmeisterschaften vorbereiten können.“ Die WM wird vom 17. bis 25. Mai in der Lusail Sports Arena in Doha (Qatar) gespielt. Borussias Dan Qiu ist dabei von Bundestrainer Jörg Rokopf bereits nominiert.
Im Halbfinal-Hinspiel in Bad Königshofen hatte Qiu den Sieg mit zwei Erfolgen, je einen gegen Bastian Steger und Jin Ueda, gesichert. Anton Källberg hatte einige Mühe gegen Ueda, Boll hatte gegen Filip Zeljko verloren. Kay Stumper und Borgar Haug durften von der Bank aus zusehen. Aus den Partien von Källberg und Boll ziehen die TSVer ihre Hoffnung, Boll noch ein weiteres Heimspiel zu ermöglichen. „Auch wenn das erste Spiel mit 1:3 verloren ging, zeigte das Team unseres Headcoaches Koji Itagaki eine starke Performance und war streckenweise auf Augenhöhe mit dem Favoriten“, schreiben die Bad Königshofener auf ihrer Vereins-Website. „Natürlich geht die Borussia mit ihrer vollbesetzten Startruppe als klarer Favorit in das Heimspiel. Doch völlig chancenlos ist unser TSV keineswegs – das zeigen nicht nur die Leistungen im ersten Spiel, sondern auch unsere starke Auswärtsbilanz der vergangenen beiden Spielzeiten: Von 21 Auswärtspartien seit August 2023 wurden beeindruckende 15 gewonnen, nur dreimal ging man jeweils pro Saison als Verlierer vom Tisch.“ So wollen Ueda, Steger, Zeljko und Martin Allegro alles geben, um eine dritte Partie zu erzwingen.
Spiel auch im Zeichen des kürzlich verstorbenen Mentors von Boll
Dabei trifft der TSV auf eine möglicherweise emotional angefasste Borussia, ist doch Verwaltungsratsvorsitzender Hans-Wilhelm Gäb vor kurzem gestorben. Das wird besonders Timo Boll nahegehen. Gäb war für den bundesdeutschen Ausnahmekönner im Tischtennis Zeit seiner Karriere Ratgeber, Mentor, väterlicher Freund und moralischer Leitfaden. Und auch Preuß hat immer auf den Rat des früheren Nationalspielers vertraut. „Ich habe mich in den letzten 30 Jahren immer mit Hans Wilhelm abgestimmt“, so Preuss. Dass der Verlust des Grand Seigneurs entscheidenden Einfluss aus das Halbfinale haben wird, glaubt der Borussia-Manager allerdings nicht. „Die Jungs sind Vollprofis, das müssen und können sie ausblenden“, so Preuß. „Und das wäre ganz im Sinne von Hans Wilhelm. Er hätte gesagt: Schaut nach vorne.“