Cronenberger Literaturcafé Ein Abend voller Literatur in Wuppertal

Wuppertal · Im Literaturcafé in Cronenberg drehte sich alles um „Kairos“ von Jenny Erpenbeck.

Jens Clausen (rechts), Leiter des Literaturcafés, hat den Abend moderiert.

Foto: JA/Andreas Fischer

Monatlich trifft sich das Literaturcafé in der Kulturschmiede in Cronenberg. Hier gibt es die Möglichkeit, Kontakte im Stadtteil zu erweitern und einen Kulturort zu schaffen, der Menschen zusammenbringt. Die Idee hinter der Kulturschmiede ist die Erfahrung von fünf Cronenberger Familien, die seit 1982 auf dem angrenzenden Grundstück zusammenleben und gute und langjährige Gemeinschaftserfahrungen gemacht haben.

Gespräche beispielsweise über ein Buch, das die Mitglieder des Literaturcafés – wenigstens teilweise – gelesen haben, gibt es einmal im Monat. Die Vorschläge für den Lesestoff kommen aus dem Kreis der Lesefreudigen selbst. „Wenn wir uns auf einen Vorschlag geeinigt haben, hat jeder vier Wochen Zeit, sich mit dem Werk zu beschäftigen. Danach gehen wir gemeinsam ins Gespräch“, erläutert der Leiter des Literaturcafés, Jens Clausen. Der 2021 erschienene Roman „Kairos“ thematisiert eine außergewöhnliche Liebe, eine „Amour fou“, die sich in Ostdeutschland in den Jahren 1986 bis 1992 zwischen Hans und Katharina ereignet. Der Charakter Hans spaltet die Leserschaft, trennt Empörte von Verständnisvollen.

Jens Clausen hatte als Einstieg in die Veranstaltung die Aufzeichnung eines Interviews im Kontext der Frankfurter Buchmesse 2021 ausgewählt. Im Gespräch mit Moderator Michael Braun, das er im Rahmen des Formats „Literaturtalk“ der Verlagsgruppe Penguin Randomhouse mit der ausgezeichneten Autorin führt, begründet sie nicht nur die Wahl des Buchtitels. „Kairos“, der Titel ihres Buches, beziehe sich auf den Gott des glücklichen Augenblicks.

Den Moment festhalten und konservieren zu wollen, wie es der Protagonist Hans tun möchte, werde dem Wesen des Glückes als Momentum nicht gerecht, erläutert Jenny Erpenbeck im Fernseh-Interview. Erpenbeck wirbt auch für eine differenzierte Betrachtung des Charakters Hans: Das Wesen des Autors und Regisseurs, der die 34 Jahre jüngere Kostümbildnerin in Ausbildung, Katharina, zu einer weiteren seiner vielen Geliebten macht, und sie seiner vollständigen Kontrolle unterwerfen möchte, ist komplex. Sein psychotisch anmutendes, rücksichtsloses Liebesleben, das der Meister des Betrugs führt, provoziert bei der Leserschaft Abneigung, Empörung, Verurteilung.

Autorin plädiert für eine differenzierte Sichtweise

Jenny Erpenbeck plädiert für eine differenzierte Sichtweise, thematisiert auch die guten Seiten des Verführers und seine Sozialisation in einer Welt wechselnder Regime, Werte und Identitäten. Auch die gegenseitigen Abhängigkeiten und Instrumentalisierungen des asymmetrischen Paares führt Erpenbeck, die bedauerlicherweise nicht nach Cronenberg gekommen war, an. Die britische Zeitung „Guardian“ habe den Roman als eines der besten Bücher des 21. Jahrhunderts bewertet, ordnete Jens Clausen die Bedeutung des literarischen Werks von Jenny Erpenbeck für die Gäste ein. Die deutsche Schriftstellerin hat mehrere bedeutende und internationale schriftstellerische Auszeichnungen erworben: Sie ist Trägerin des Thomas-Mann-Preises, Independent Foreign Fiction Prize und des Booker-Prize.