Vorstellung Mit „Heute Abend: Lola Blau“ setzt das Wuppertaler Tic-Theater ein Kreisler-Stück auf den Spielplan
Wuppertal · Eine Schauspielerin, ein Pianist, ein Schicksal.
Eigentlich will sie nur singen und tanzen und das Publikum begeistern. Doch dann marschiert Adolf Hitler in Österreich ein – und das Scheitern einer sonst gänzlich unpolitischen Person nimmt seinen Lauf. Selbst dann, wenn das Leben weit weg vom Nationalsozialismus stattfindet.
Nach „Frankenstein junior“ und „Saturday Night Fever“ präsentiert das Tic-Theater in Cronenberg am Samstag seine dritte Musical-Premiere in diesem Jahr. Doch „Heute Abend: Lola Blau“ des Chansonniers und Satirikers Georg Kreisler geht andere Wege, die nicht nur auf energiegeladene Weise unterhalten, sondern manche Tendenzen in der Gesellschaft klarstellen wollen.
Wahrheiten über eine Künstlerin, deren Seele zerrieben wird
So konzentriert sich das Stück auf eine Schauspielerin und einen Pianisten und erzählt die Geschichte einer jüdischen Schauspielerin, die voller Vorfreude ihrem ersten Theaterengagement in Linz entgegensieht. Der Einmarsch Hitlers zwingt sie, in die Schweiz zu fliehen, wo sie sich zunächst als Sängerin in Cabarets durchschlägt, bevor sie von der schweizerischen Fremdenpolizei zur unerwünschten Person erklärt wird.
Zum Glück gelingt es ihr, binnen kürzester Zeit eine Einreisegenehmigung in die USA zu erhalten. Dort wird Lola Blau zum gefeierten, aber auch zusehends vereinsamenden Star. Ihr ständiger Begleiter ist ihr geliebter Leo Glücksmann – wenn auch nur in Gedanken, denn in den Wirren des Krieges verlieren sich die beiden immer wieder aus den Augen. Nach Ende des Krieges kehrt die Künstlerin in das Land zurück, das einst ihre Heimat war – doch sie muss feststellen, dass das Leben dort von einem toleranten Miteinander weiter entfernt ist als je zuvor.
„Wir erzählen die Stationen ihres Lebens nach, sodass das Publikum mit der Protagonistin auf die Reise geht“, sagt Tic-Geschäftsführer Ralf Budde, der das Stück inszeniert. Emotional changiere es „zwischen herzhafter Komik und tiefsinniger Nachdenklichkeit“. Miriam Kraft, die seit 2014 zum Ensemble des Tic-Theaters gehört, übernimmt die anspruchsvolle Rolle der Lola Blau. Sie war in Cronenberg unter anderem als Sugar in „Manche mögen’s heiß“ zu sehen und zuletzt als Deloris van Cartier in „Sister Act“. Auf der Bühne wird sie vom musikalischen Leiter Stefan Hüfner live am Klavier begleitet – in gewisser Weise in Novum im Tic-Theater, das sonst nur in der Reihe „Mein Song“ wiederzufinden ist.
Inszenierung kam vor 20 Jahren in der Citykirche auf die Bühne
Für Ralf Budde und Stefan Hüfner ist „Lola Blau“ allerdings keine Unbekannte. „Wir haben das Stück vor 20 Jahren für die Wuppertaler Bühnen in der Citykirche in Szene gesetzt und entschieden, dass es an der Zeit ist, diese bewegende Geschichte wieder aufzugreifen“, erzählt Budde. Aufgrund der Aspekte der Diskriminierung und Ausgrenzung sowie der Themen Flucht und Vertreibung sei die Story „leider wieder aktuell“.
Doch Lola ist keineswegs schweigsam; allein ein Dutzend Chansons finden sich in der Inszenierung. „Um allen alles sagen zu können, bringt Georg Kreisler die Figur der Schauspielerin und Sängerin auf die Bühne und zeichnet beispielhaft die Geschichte einer jüdischen Künstlerin zur Zeit des Nationalsozialismus nach“, heißt in der Ankündigung. Einer Künstlerin, deren Seele zerrieben wird.
Georg Kreisler, der selbst aus einer jüdischen Familie stammte, beschrieb das Stück als Geschichte einer Ohnmacht: „Lola steht dem Antisemitismus ebenso ohnmächtig gegenüber wie dem eigenen Judentum. Sie ist ohnmächtig gegen die sturen Schweizer, wütet ohnmächtig gegen die Sex-Karriere in Amerika und zum Schluss ist sie wieder ohnmächtig gegen die österreichischen Ewig-Gestrigen.“ Gleichzeitig ist der 1971 uraufgeführte Monolog auch ein Blick hinter die Kulissen des Theaters, das als Spiegel der politischen und gesellschaftlichen Entwicklung dient.