Ein Prozess wegen „Homosexualität und Sodomie“ mit Männern und schönen Jungs läutert das Ende einer blendenden Karriere und seines Lebens einzuläuten. Dreh- und Angelpunkt der Begierde des irischen Schriftstellers: Lord Alfred Douglas, der wie ein Ritter, halbnackt und in Rosa-Montur, durch die Träume des Häftlings Wilde geistert.
Wie Wilde nach seiner Verurteilung 1895 (verbunden mit Rede- und Schreibverbot und Absetzung aller Stücke) körperlich und seelisch zugrunde geht, welchen Kreuz-Verhören er ausgesetzt ist – alles das beleuchtet André Kaczmarczyk jetzt in einem Doku-Musical, dessen Uraufführung am Düsseldorfer Schauspielhaus mit Ovationen gefeiert wurde. Jubel galt neben Darstellern, Musikern der Band von Matts Johan Leenders und Ausstatter Ansgar Prüwer besonders dem regieführenden Autor Kaczmarczyk.
Fasziniert ist Kaczmarczyk stets von Märchen, aber auch von Menschen, bei denen die Konturen zwischen männlich und weiblich verschwimmen. Klar, dass solche Trans-Wesen auch in dieser Textcollage Stück „Die Märchen des Oscar Wilde erzählt im Zuchthaus von Reading“ auftreten. Zitate aus Wildes Werken und Briefen montiert Kaczmarczyk mit dessen berühmten Aphorismen über Liebe, Leid und Leben und der im Gefängnis entstandenen Anklage-Schrift „De Profundis“.
Aus den Zwischenwelten stammen manche Bühnenfiguren: Diseuse und Chansonsängerin Georgette Dee schnurrt als Oscars Mutter, Lady Wilde in wallenden Roben, Songs, Lieder und Gedichte von Wilde (wie „Each man kills the thing he loves“). Androgyn ebenso der ästhetische Mittelpunkt: der bildschöne Eray Gülay. Männliches Model, Tänzer und Choreograf. Hier tritt er als rosa Lord Alfred auf: Gülay posiert mit schulterlanger Haarpracht, Schwert und in hautengen Ritterhosen. Und wird zur omnipräsenten Kunst-Skulptur (Kostüme: Martina Lebert), die kein einziges Wort von sich gibt, stets fokussiert ist auf schwülstige Unnahbarkeit.
Lebensstationen
des Dandys
Die Textmontage zeichnet Lebensstationen des Dandys nach. Wilde (Yascha Finn Nolting: eher kraftvoll gesunder Kämpfer denn etherischer Weltenwanderer) erzählt die Märchen und Episoden aus seinem Leben seinem Gefängniswärter Martin. Vertrauen und Zuneigung zwischen umsorgendem Wärter und dem exzentrisch ausbrechenden Insassen entwickeln sich zu einer rührenden Freundschaft. Sie gipfelt in selbst gebackenen Ingwer-Plätzchen und in Tränen, die Martin (sensibel und mit doppeltem Boden: Thomas Wittmann) verdrückt, wenn sein Lieblingshäftling in die Freiheit entlassen wird.
Die Inszenierung? Nicht leicht für Autor Kaczmarczyk als Regisseur eigene Textpassagen zu kürzen, um dem dreistündigen Abend nicht die Spannung zu nehmen. Zwar entfacht er hier und da poetische Bilder mit mythologischen Figuren, wie einer Nachtigall als Balletttänzer in steifem Tütü (Michael Fünfschilling) mit und einem flatterndem Schwalberich (Roman Wieland).
Seltsam langatmig, künstlich aufgesetzt, manchmal sentimental kitschig wirken einige Szenen nach der Pause – wie zum Beispiel mit Wildes hektischer Gattin, die ihn kurz vor der Entlassung mit ihren beiden Kindern im Gefängnis besuchen.
Fazit: Bilder aus dem Leben eines an Homosexualität gescheiterten Literatur-Genies. Streckenweise musikalische Doku-Soap, als Vorabendserie geeignet.
Tickets: Tel. 0211/ 36 99 11