Auswahl für Leipziger Buchpreis überrascht

Leipzig (dpa) - Die Jury für den Preis der Leipziger Buchmesse hat die ausgetretenen Pfade des Literaturbetriebs verlassen.

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Etablierte Namen hätte es genug gegeben, um sie auf die Shortlist für den renommierten Preis zu setzen. Doch stattdessen finden sich auf der Belletristik-Liste mit dem Comedian Heinz Strunk („Der goldene Handschuh“) und den Theater-Autoren Nis-Momme Stockmann („Der Fuchs) und Roland Schimmelpfennig („An einem klaren, eiskalten Januarmorgen“) gleich drei Herren, die von der Bühne kommen. „Vor diesem Hintergrund scheint im Moment besonders interessante Prosa zu entstehen“, sagte die Jury-Vorsitzende Kristina Maidt-Zinke der dpa.

Vervollständigt wird die am Donnerstag veröffentlichte Liste von Guntram Vesper, einem Altmeister der Branche. Er habe mit „Frohburg“ „einen großen Deutschlandroman, ein monumentales Erinnerungswerk“ vorgelegt. Und nachdem im Vorjahr mit Jan Wagner erstmals ein Lyriker gewann, ist auch 2016 wieder ein Gedichtband dabei: „Geliehene Landschaften“ von Marion Poschmann. Die Autorin ist die einzige Frau unter den Top 5.

„Wir hatten tatsächlich Schwierigkeiten, eine Autorin für die Liste zu finden, da wir unabhängig vom Quotendenken urteilen wollten“, sagte Maidt-Zinke. Poschmanns Lyrikband sei von außerordentlicher Qualität - „diesmal die einzige literarische Leistung aus weiblicher Feder, die der gesamten Jury preiswürdig erschien.“

Rainer Moritz, Leiter des Literaturhauses Hamburg, ist von der Vorlage der Leipziger Jury angetan. „Sehr überraschend“ sei die Liste, sagte er. „Und es ist ein Favoritensterben. Karen Duve, Juli Zeh, Peter Stamm - all jene, die man hätte erwarten können, fehlen komplett. Die Jury hat sich nicht beeindrucken lassen von irgendwelchen Erwartungen und Marketing-Geklimper.“ Es sei positiv, dass mit den Werken von Vesper und Stockmann Bücher dabei sind, die nicht jedem sofort zugänglich seien.

Auch der Literaturkritiker Hubert Winkels, bis 2015 selbst Jury-Vorsitzender in Leipzig, hält die Auswahl der Belletristik-Kandidaten für überraschend und vor allem frei. „Sie öffnet sich in alle Richtungen. Es ist Lyrik dabei, es sind Autoren darunter, die bisher keine Romane geschrieben haben“, sagte er. „Es zählt allein die Literatur. Das zeugt von einer großen Freiheit der Jury.“

Die Literatur-Experten stehen beim Leipziger Buchpreis immer vor der Herausforderung, zusätzlich zur Belletristik auch für die Kategorien Sachbuch/Essayistik und Übersetzung preisverdächtige Kandidaten zu wählen. Insgesamt reichten die Verlage mehr als 400 Werke ein. Die Palette der Themen und Sprachen ist so breit wie bunt. Bei den Sachbüchern reicht sie vom Trendthema Essen (Christoph Ribbat, „Im Restaurant. Eine Geschichte aus dem Bauch der Moderne“) bis zum Weltklima (Hans Joachim Schellnhuber, „Selbstverbrennung. Die fatale Dreiecksbeziehung zwischen Klima, Mensch und Kohlenstoff“). Bei den Übersetzungen finden sich auch Werke aus dem Katalanischen und Serbischen.

Der Preis der Leipziger Buchmesse ist mit insgesamt 60 000 Euro dotiert, die Sieger in den drei Kategorien erhalten jeweils 15 000 Euro. Am 17. März, dem ersten Tag der Leipziger Buchmesse, werden die Preisträger gekürt.