BERLIN Jan Weilers Geschichte über Vater und Tochter

BERLIN · . Die 15-jährige Kim Papen besitzt von ihrem leiblichen Vater nur ein altes, verschwommenes Foto. Auf dem Schnappschuss ist er unter der Mütze kaum zu erkennen. Für Kim bleibt er deshalb der „Unscharfe“.

Autor Jan Weiler

Foto: dpa/Henning Kaiser

Denn auch sonst hat Ronald Papen in ihrem Leben keine Spuren hinterlassen, und Mutter wie Stiefvater schweigen ihn hartnäckig tot. Bis sich das eines Tages ändert.

Mit „Der Markisenmann“ hat Bestsellerautor Jan Weiler, Spezialist für komplizierte Gemütslagen pubertierender Teenager („Das Pubertier“), einen zu Herzen gehenden Coming-of-Age-Roman über zwei Außenseiter geschrieben, die zur eingeschworenen Schicksalsgemeinschaft werden. Denn eines Tages ist der Vater plötzlich wieder da.

In dieser sympathischen Vater-Tochter-Geschichte spiegelt sich ein Stück deutscher Historie. Der Roman ist aber auch eine Liebeserklärung an das Ruhrgebiet und seine Menschen. Die Geschichte spielt in einem wenig glanzvollen Szenario, auf einem Gewerbehof am Rhein-Herne-Kanal, wo Kims Vater Unterschlupf gefunden hat. Es ist der maximale Kontrast zu Kims großspurigem wohlhabenden Kölner Elternhaus. Dafür leben auf dem Gewerbehof die charmanteren Menschen. Bald fühlt sich Kim bei ihnen wie zu Hause.

Die Schulversagerin erkennt schnell, dass ihr Vater ebenso erfolglos ist wie sie selbst. Als emsiger Vertreter versucht Ronald Papen in rührender Betriebsamkeit ein ziemlich unattraktives Produkt unter die Leute zu bringen: Markisen in einem geschmacklosen Siebzigerjahre-Design aus Restbeständen der alten DDR. Zu diesem Zweck kartiert er das Ruhrgebiet nach – markisentechnisch gesehen - ergiebigen und unergiebigen Stadtvierteln. Da wo die Balkone schon gut „bestückt“ sind, kann er sich das mühevolle Klinkenputzen sparen. Doch trotz dieser ausgeklügelten Strategie bleibt die Ausbeute mager. Aber wofür hat er schließlich Kim? Die hat längst gemerkt, dass ihr immer freundlicher, bescheidener und gutmütiger Vater schwer an einer Vergangenheit trägt, die auch mit ihr zu tun hat, die er aber hartnäckig verschweigt.

„Der Markisenmann“ ist komisch und traurig, heiter und ernst zugleich. Jan Weiler erzählt von menschlichen Schwächen und Verirrungen, von Liebe und Verrat, Schuld und Sühne - große Themen, die er unterhaltsam verpackt. Dass die Geschichte vor allem am Ende etwas märchenhafte Züge hat, ist Teil dieser Unterhaltungskunst.

 

Jan Weiler: Der Markisenmann, Wilhelm Heyne Verlag, München,
336 Seiten, 22 Euro