Literatur-Nobelpreis Literatur-Nobelpreisträgerin Olga Tokarczuk kam nach Düsseldorf

Düsseldorf · Die polnische Schriftstellerin Olga Tokarczuk kam zu einer Pressekonferenz ins Heine-Haus. Dort sprach sie über die Parlamentswahlen in Polen am Sonntag, über ihren Erfolg in Deutschland und die Zukunft des Romans.

Olga Tokarczuk mit ihrem Verleger Daniel Kampa (l.) und Übersetzer Bernhard Hartmann.

Foto: Thomas Frank

„Ich fühle mich wie ein Film-Star“, sagte die frisch gekürte polnische Literatur-Nobelpreisträgerin Olga Tokarczuk, als sie am Piano im Heine-Haus vor den Kameras posierte, die zahlreiche Journalisten und Fotografen auf sie richteten. Spontan hatte das Polnische Institut Düsseldorf die Pressekonferenz anberaumt, das die 57-jährige Schriftstellerin seit Jahren begleitet und ihre Lesereisen mitveranstaltet. Auch ihre aktuelle Lese-Tour hat das Kulturinstitut an der Citadellstraße organisiert, zusammen mit dem Kampe Verlag, der Literaturhandlung Müller & Böhm im Heine-Haus, dem Literaturfestival litRuhr und der Alten Synagoge Essen. Olga Tokarczuk war von den Bielefelder Literaturtagen in die Düsseldorfer Altstadt gekommen. Am Donnerstag erreichte sie auf der Autobahn zwischen Berlin und Bielefeld die Nachricht, dass sie als zweite polnische Schriftstellerin (nach Wisława Szymborska 1996) den wichtigsten Literaturpreis der Welt erhalten hat.

Im Heine-Haus setzte sich Tokarczuk gemeinsam mit ihrem Schweizer Verleger Daniel Kampa an Tisch und stellte sich den Fragen der polnischen und deutschen Pressevertretern. Literaturübersetzer Bernhard Hartmann dolmetschte die polnischen Antworten der Autorin für die deutschen Journalisten.

Vor allem die polnischen Medienvertreter interessierte gleich zu Beginn der Fragerunde, auf welches Echo die Nachricht von ihrer Auszeichnung mit dem Literatur-Nobelpreis in Polen stieß. Dort wählen die Bürger diesen Sonntag ein neues Parlament und Olga Tokarczuk zählt zu den Kritikern der rechtskonservativen PiS-Regierung. Sie hat ihren Preis der polnischen Nation gewidmet und ihre Landsleute aufgerufen, bei den Wahlen für die Demokratie zu stimmen. „Wir leben in einer Welt, in der es schwer ist, nur Schriftsteller zu sein“, erklärte Tokarczuk in Düsseldorf.

Dennoch verstehe sie sich nicht als politische Schriftstellerin, sondern als Bürgerin, die von Politik betroffen sei. Die Wahl am Sonntag sei die wichtigste seit 1989, weil sie über die Zukunft Polens entscheide. Entweder man plädiere für Demokratie und dafür, ein Teil Europas zu sein, oder man entferne sich von der europäischen Gemeinschaft und schlage eine Richtung ein, die nicht genau absehbar sei. Besorgt sei sie darüber, dass die polnische Regierungspartei in das Justizsystem eingreife, die freien Medien unter staatliche Kontrolle bringen wolle und die Machthaber mitbestimmen wollen, wie die polnische Geschichtsschreibung aussehen solle.

Eigentlich seien es einfache Sachen, die sie fordere: Eine Gesellschaft, in der kein Mensch, egal welcher Herkunft, welchen Geschlechts oder welchen Glaubens, ausgeschlossen sei. Außerdem eine ökologische Ausrichtung der Wirtschaftspolitik.

Olga Tokarczuk berichtet aber auch Positives aus ihrer Heimat. Ihre Heimatstadt Breslau habe nach der Preis-Verkündung des Nobel-Komitees beschlossen, dass jeder  Bürger, der ein Buch von ihr dabei habe, kostenlos mit Bussen und Bahnen fahren dürfe. In Krakau habe man entschieden, einen kleinen Wald mit 25 000 Bäumen zu errichten und diesen nach ihrem Roman „Ur und andere Zeiten“ zu benennen. Dies seien Zeichen dafür, dass sich mit Literatur die Welt verändern ließe.

Auf ihren literarischen Erfolg in Deutschland angesprochen, nennt sie das Genre des Romans als Erklärung: „Der Roman ist eine der größten Erfindungen des Menschen, vergleichbar mit dem Rad oder der Dampfmaschine.“ Er gehe über die Fakten hinaus, biete eine raffinierte, komplexe Form der Kommunikation und beruhe auf Empathie. „Während wir lesen, können wir das Leben von jemand anderem leben.“ Deswegen würde der Roman nie an sein Ende kommen. Es sei nur wichtig, neue Erzählweisen zu finden. Zwei zukunftsträchtige Romangenres empfiehlt sie den Verlegern: Erstens Science-Fiction, weil eine große Unruhe darüber herrsche, was die Zukunft bringen werde. Zweitens der Historische Roman, denn Geschichte sei nichts Abgeschlossenes: „Mit unserem heutigem Wissen können wir über längst vergessene Ereignisse sprechen.“

Wichtig seien aber auch die Übersetzer, die sie „Handlungsreisende der Literatur“ nennt und die für die Schriftsteller eine Familie seien.