Der Galerist Hans Paffrath bezieht den Begriff der Zeitenwende nicht auf die Finanzpolitik der Gegenwart, sondern spricht von „Change in Art 1900“. In seiner Ausstellung im Breidenbacher Hof präsentiert er Bilder zum Verkauf, Leihgaben und ausnahmsweise auch einen Druck, denn Emil Noldes „Pfingsten“ darf die Nationalgalerie Berlin nicht verlassen.
Für Paffrath ist dieses Gemälde „so absurd bunt und voller wilder Gesichter, dass die kunstsinnige Jury der Berliner Secession das wüste Werk für die Frühlingsausstellung 1910 ablehnte“. Ihr Vorsitzender, Max Liebermann, der Impressionist, habe nicht verstanden, wie man so malen könne.
Innerhalb von 20 Jahren wandelte sich die großbürgerliche Welt des Kaiserreichs in eine aufgewühlte Welt im Umbruch in der beginnenden Weimarer Republik. Gerade in Gruppierungen wie Berliner Secession, Neue Secession, Freie Secession und Novembergruppe kreisten Künstler um Impressionismus und Expressionismus, ja sogar um den Pointillismus. Paffrath kann natürlich nur eine „kleine Kunstreise“ bieten, denn Stars wie Beckmann oder Jawlensky sind unbezahlbar geworden. Er macht das Beste daraus, zeigt Bilder im Aquarell und Pastell, aber auch kapitale Werke von Museumsqualität.
Da ist etwa Karl Hagemeister, der Antipode von Liebermann, der nicht im Palais neben dem Brandenburger Tor logierte, sondern in einer Hütte in Werder an der Havel. Er gilt als Wegbereiter der modernen Landschaftsmalerei. Als er die Wellen nicht hinbekam, zog er sich Ölzeug an und stieg bis zur Brust ins Wasser. Keiner konnte die Gischt der Wellen so energisch malen wie er. Er verzichtete auf die traditionelle Detailtreue und spachtelte die fette, weiße Ölfarbe über die grünen Lasuren. Paffrath hält Hagemeister für total unterschätzt. Auf den damaligen Direktor der Berliner Nationalgalerie, Ludwig Justi, habe Hagemeister im kraftvollen Spiel von Licht und Wasser einen großen Eindruck gemacht.
Ein Einzelgänger war auch Lovis Corinth. Dessen Blumenstillleben „Gelbe und rote Astern“ von 1921 ist beispielhaft für seinen großartigen Altersstil. Die kleinen Blüten scheinen zu vibrieren, sie leuchten und drängen über den Bildrand hinweg. Der Begriff der Zeitenwende will dennoch nicht recht passen, denn die Malerei dieses Künstlers basiert auf der ererbten Tradition und auf der eigenen Erfahrung über die Endlichkeit des Seins.
Einer der Großen in der Ausstellung ist auch Walter Leistikow, der mit Harry Graf Kessler den Deutschen Künstlerbund 1903 in Weimar gründete. Er stand dem Symbolismus nahe, wie sich in den schweren, dunkelgrünen Baumkronen zeigt, die ein Flüsschen zum Grunewaldsee hin begleiten und deren Schatten das Wasser verdunkeln, sodass sich die Sonne nur noch in einem Rinnsal widerspiegelt.
Der deutsche Kaiser Wilhelm II. mochte die melancholischen Reize dieser „Stimmungslandschaften“ nicht. Sein Freund Corinth zitiert in seiner Biografie den Satz des Regenten: „Er hat mir den ganzen Grunewald versaut.“ Wie den Kaiser erzürnte auch den einflussreichen Akademiepräsidenten Anton von Werner die Kunst Leistikows: Er fand dessen Anfänge talentlos und schmiss ihn aus der Berliner Kunstakademie. Seinen Ruhm konnte er ihm nicht rauben. Leistikow wurde der bedeutendste Berliner Landschaftsmaler. Doch für die Künstler der Wendezeit, für Kirchner, Rohlfs, Pechstein oder wie sie alle hießen, gab es bei dem Kampf um die Kunst keine Gewinner und Verlierer. Der Erste Weltkrieg setzte eine brutale Zäsur.
Info Die Ausstellung „Change in Art“ findet im gesamten Frühjahr 2025 an der Königsallee 11 (Breidenbacher Hof) statt. Öffnungszeiten sind montags bis freitags 11 bis 18 Uhr.