Kampf gegen Aberglaube „Heute kommen durch den Hexenwahn mehr Menschen zu Tode als früher“

Düsseldorf · Der in Kaiserswerth geborene Jesuit Friedrich Spee setzte sich im 17. Jahrhundert mutig gegen die damaligen Verfolgungen ein. So wie die Ordensschwester Lorena Jenal heute in Papua-Neuguinea.

Ordensfrau Lorena Jenal (r.) mit der Überlebenden eines Hexenprozesses in Papua-Neuguinea.

Foto: missio/Bettina Flittner

Verleumdet, gefoltert und hingerichtet – so erging es jenen Menschen, die im Europa der frühen Neuzeit der Hexerei bezichtigt wurden. Befeuert wurde die Hexenverfolgung durch Krisen und Naturkatastrophen, die zu Missernten, Hungersnöten und Pandemien mit vielen Toten führten. Die Gesellschaft suchte Sündenböcke für das erlittene Unglück – und fand sie in Gestalt der vermeintlich Magie praktizierenden Personen, die, so glaubte man, mit dem Teufel im Bunde stünden.

Zehntausende Unschuldige wurden in der Hochphase der Hexenverfolgung in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts angeklagt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt, die meisten von ihnen waren Frauen. Ein Ende fanden die Hexenprozesse in Europa erst im 18. Jahrhundert. Die letzte überlieferte Hinrichtung einer Hexe in Mitteleuropa fand 1793 statt – der Schlusspunkt eines dunklen Kapitels europäischer Geschichte.

Doch heute, mehr als 200 Jahre später, erlebt die Hexenjagd in vielen Teilen der Welt eine grausige Renaissance: Papua-Neuguinea, Ghana, Kongo, Indien und Südafrika etwa gehören nach Angaben des Katholischen Hilfswerks Missio in Aachen zu den weltweit mehr als 40 Ländern, in denen regelmäßig Frauen, Männer und sogar Kinder als vermeintliche Hexen angeklagt, verfolgt, gefoltert und getötet werden. Dass diese gravierenden Menschenrechtsverletzungen in den vergangenen Jahren an die Öffentlichkeit gelangt sind, liegt vor allem daran, dass es auch heute Menschen gibt, die entschlossen gegen die Gewalt und den Hexen-Aberglauben kämpfen.

Eine dieser Mutigen ist die Ordensschwester Lorena Jenal. In Papua-Neuguinea, wo der Hexenwahn vor etwa zehn Jahren neu entflammt ist, setzt sich die Schweizerin unter lebensgefährlichen Bedingungen für Aufklärung und die Opfer der grausamen Gewaltverbrechen ein. Mit ihrem Engagement steht Jenal in einer Tradition von Geistlichen, die bereits im 17. Jahrhundert Kritik an der Hexenverfolgung übten. So wie der 1591 in Düsseldorf-Kaiserswerth geborene Theologe und Dichter Friedrich Spee. In seiner 1631 anonym veröffentlichten Schrift „Cautio Criminalis“ sprach sich Spee, der dem Jesuitenorden angehörte, als einer der ersten seiner Zeit gegen die bei den Hexenprozessen angewandten Gerichtsverfahren und unter Folter erzwungenen Geständnisse aus.

Anlässlich von Spees 434. Geburtstag veranstaltet die katholische Kirchengemeinde Angerland-Kaiserswerth mit der katholischen Frauengemeinschaft St.-Suitbertus-Kaiserswerth, Missio Aachen und der Friedrich-Spee-Gesellschaft am 25. Februar einen Wortgottesdienst mit Vortrag zum Thema „Hexenglaube – gestern und heute“. Im Fokus steht dabei der Vergleich zwischen Spees Engagement gegen den Hexenwahn seiner Zeit und der Arbeit von Schwester Lorena Jenal.

Über Friedrich Spee und sein Wirken

„Viele Menschen wissen heute gar nicht mehr, wer Friedrich Spee war“, sagt Beate Köster aus Kaiserswerth, die den Vortrag halten wird. „Er war ein Mann des Gewissens.“ Mit seiner „Cautio Criminalis“ habe Spee aktiv Widerstand gegen die Hexenverfolgung geleistet, obwohl er dafür angefeindet und von seinem Orden versetzt worden sei. „Zu diesem Zeitpunkt war das revolutionär, obwohl es dann noch fast 100 Jahre gedauert hat, bis die Scheiterhaufen ausgingen“, sagt Köster.

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Ebenso beeindruckt zeigt sich Köster von dem mutigen Einsatz, die Ordensfrau Lorena Jenal heute für die Opfer des neuen Hexenwahns in Papua-Neuguinea leistet. „Als ich durch einen Zeitungsartikel zum ersten Mal etwas über Schwester Lorenas Arbeit erfuhr, dachte ich sofort, dass sie eine ebenso bemerkenswerte Persönlichkeit ist wie Friedrich Spee“, erklärt sie. „Knapp 400 Jahre nach dessen Widerstand gegen die Hexenverfolgung in Europa, kämpft Jenal heute gegen Hexenglaube und daraus resultierende Menschenrechtsverletzungen.“ Deshalb habe sie sich vorgenommen, das Gedenken an den Geistlichen aus Kaiserswerth mit einem Bericht über das Engagement der Ordensfrau zu verbinden.

Über Missio hat Köster Kontakt mit Lorena Jenal aufgenommen, um mehr über die Hexenverfolgung in Papua-Neuguinea und die Fürsorge-Arbeit der Schwester zu erfahren. Was sie berichtet, steht den zu Lebzeiten Spees verübten Grausamkeiten in nichts nach. Vor allem Frauen müssen dort immer wieder als Sündenbock für Krankheit, Tod und alles Unerklärliche herhalten. „Heute kommen durch den Hexenwahn mehr Menschen zu Tode als in der frühen Neuzeit“, sagt Köster. Allein in Papua-Neuguinea seien bereits mehr als 200 Personen dem Aberglauben zum Opfer gefallen – obwohl diese Form der Selbstjustiz verboten sei. „Der Glaube an das Magische ist aber so stark, dass solche Taten nicht sanktioniert werden“, erklärt Köster.

Dass der alte Glaube an Hexerei neu entflammt sei, habe laut Schwester Lorena paradoxerweise mit moderner Technik zu tun: „Vor 2012 gab es solche Verfolgungen in Papua-Neuguinea überhaupt nicht“, sagt Köster. „Aber jetzt, wo alle ein Smartphone haben, werden Bilder und Videos solcher Gewalttaten per Knopfdruck ins nächste Dorf gesendet und finden dort Nachahmer.“ Immer wieder rettet Lorena Jenal die Opfer dieser Hetzjagden vor dem Scheiterhaufen und versorgt ihre Wunden. „Schwester Lorena hilft aber nicht nur punktuell“, sagt Köster. Mit Spenden habe sie ein Haus der Hoffnung errichtet, das als Zufluchtsort für die Betroffenen fungiere. Dort erhalten Frauen, die Folter und Gewalt überlebt haben, Schutz, Ruhe und eine umfassende Begleitung. „Damit sie die Chance auf einen neuen Anfang haben.“

(lav/los lha)