Bei Robert Harris sind die Spionage-Schiffe auf Kurs
„Intrige“ beschäftigt sich mit der Dreyfus-Affäre.
Berlin. Paris stinkt. Die Ausdünstungen der Kanalisation sind allgegenwärtig und zugleich Symbol für ein vergiftetes Klima. Das „Fin de siècle“ ist nicht nur eine kulturelle Blütezeit — es wuchern und gedeihen noch ganz andere Dinge.
Besonders in der Statistik-Abteilung der französischen Armee, in deren schäbigen Büros es extrem nach Abwasser riecht. „Statistik-Abteilung“ ist der scheinheilige Name für den militärischen Geheimdienst. Hier dreht sich alles um Bespitzelung, Verrat und Intrige. „Intrige“ lautet auch der Titel des neuen Romans von Robert Harris.
„Das Buch nutzt die Technik des Romans, um die wahre Geschichte der Dreyfus-Affäre zu erzählen, dem vielleicht größten politischen Skandal und Justizirrtum der Geschichte“, so der britische Bestseller-Autor. Das ist Harris trefflich gelungen.
Ein spannender Roman wird zu einer packenden Geschichtsstunde — als wäre man 1894 dabei gewesen. So wie der Ich-Erzähler Major Picquart, der Beobachter des Prozesses gegen Dreyfus ist. Hauptmann Dreyfus war der einzige Jude im Generalstab und sprach zudem als Elsässer mit deutschem Akzent: also der geborene Sündenbock.
Als bekannt wird, dass ein Spion für die Deutschen arbeitet, gerät Dreyfus ins Visier und wird lebenslänglich auf die Teufelsinsel verbannt. Während Dreyfus seine Unschuld beteuert, wird Picquart Leiter der Statistik-Abteilung. Er kontrolliert Dreyfus‘ Korrespondenz, nimmt sich die Unterlagen vor — und gerät dabei ins Grübeln. Beweise erweisen sich als Fälschungen. Bald kommt Picquart dem wirklichen Spion auf die Spur. Je weiter er ermittelt, umso tiefer gerät er in einen Sumpf, der ihn zu verschlingen droht.
Die Dreyfus-Affäre spaltet Frankreich. Die Stimmung ist aufgeladen. Harris dramatisiert die Geschichte geschickt, schmückt Figuren aus, aber „fast alle geschilderten Ereignisse haben sich zumindest in irgendeiner Form im wirklichen Leben tatsächlich zugetragen“, erklärt der Autor.
Er zeigt, was passiert, wenn Geheimdienste außer Kontrolle geraten. Aber womöglich handeln sie genauso wie gewünscht. Die Spionage-Schiffe sind auf Kurs. Das verleiht dem Roman „Intrige“ in Zeiten eines Edward Snowden eine beklemmende Aktualität.