Woran merkt man, dass man süchtig ist nach Instagram?
Buch über Suchtpotential von Instagram Autorin Schink: Auf Instagram geht es uns nur um Aufmerksamkeit
München · Millionen Menschen auf der ganzen Welt nutzen Instagram jeden Tag. Für viele hat das aus Sicht der Autorin Nena Schink Suchtpotenzial. Über ihre eigene Sucht hat sie ein Buch geschrieben.
Jahrelang drehte sich bei Nena Schink (27) alles um Instagram: Stylen, Motive wählen, Fotos machen - immer wieder. Irgendwann aber, so schildert sie es der Deutschen Presse-Agentur beim Interview in München, geriet das Ganze aus dem Ruder. Als sie - die sich eigentlich für eine Feministin hielt - sich im knappen Bikini auf einer Wassermelone räkelte, sei sie am Tiefpunkt angekommen und schließlich bei der Erkenntnis: „Ich war Instagram-süchtig“. Jetzt hat die Journalistin ein Buch darüber geschrieben. Es heißt: „Unfollow - Wie Instagram unser Leben zerstört“.
Nena Schink: Das erste Anzeichen ist, dass man seine Bilder überprüft, dass man ein Bild hochlädt und sofort beginnt, die Likes nachzuzählen. Wenn die Zahl der Likes anfängt, wichtig zu werden, dann ist man definitiv süchtig nach Instagram, nach digitaler Bestätigung. Wenn dann schlechte Laune dazu kommt, weil man findet, dass man nicht genug Likes bekommen hat oder Neid, weil andere mehr Likes bekommen, dann ist das ein Alarmzeichen. Es gibt sehr viele Frauen, die dann anfangen, die Bilder zu löschen, nur weil sie mal weniger Likes bekommen haben.
Wenn du dich nur für dich selber interessierst und dann nur dafür lebst, dass andere Menschen deine Bilder liken, kann das nicht gesund sein. Das ist definitiv ein Zeichen der Sucht. Ein zweites Anzeichen ist die Zeit. Ich würde schon sagen: Wer zwei Stunden am Tag auf Instagram verbringt, ist süchtig.
Wann haben Sie gemerkt, dass Sie selbst süchtig sind?
Schink: Mir ist schon irgendwann aufgefallen, dass es eigentlich Schwachsinn ist, zwei Stunden am Tag auf Instagram zu verbringen - auch weil meine Mutter mich damals sehr, sehr stark darauf angesprochen und kritisiert hat. Sehr heilsam waren auch die realen Begegnungen mit den Influencern und die Erkenntnis, dass sie auf Instagram cooler wirken als im echten Leben. Da habe ich mich schon gefragt, warum ich eine Stunde am Tag damit verbringe, das Leben dieser Mädchen zu verfolgen. Aber ich habe erstmal trotzdem weiter gemacht. Auch ein Zeichen dieser Sucht.
Der absolute Tiefpunkt war dann, als ich meine Schwester im Kroatien-Urlaub dazu verdonnert habe, Fotos von mir in einem knallroten Bikini auf einer Wassermelonen-Luftmatratze zu machen. Sich als Wirtschaftsjournalistin so fotografieren zu lassen, ist ziemlich dämlich. Ich glaube, das war der Tiefpunkt, weil ich immer schon feministisch angehaucht war und immer eigentlich dagegen war, dass Frauen sich sexualisieren und auf einmal liegt man auf der Luftmatratze und lässt sich im Bikini fotografieren.
Dass der Wunsch nach Bestätigung einen gewissen Reiz und ein Suchtpotenzial hat, leuchtet von außen betrachtet noch ein. Aber warum konnten Sie es nicht lassen, fremde Menschen zu beobachten?
Schink: Ich glaube, das ist Voyeurismus. Man wird süchtig danach, jede Einzelheit aus deren Leben zu kennen. Das ist so ähnlich wie beim Dschungelcamp, denke ich. Das schaue ich zwar nicht, aber ich denke, man kann das vergleichen. Und dazu kommt dann bei Instagram, dass die Influencer ein Leben präsentieren, das viel glamouröser ist als das der meisten Mädchen.
Die jetten um die Welt und tragen Marken, während man im normalen Leben nur einen Schulabschluss macht. Ein Traum wird vorgelebt - und das gepaart mit Voyeurismus, das ist das Perfide an dieser Sache. Nicht umsonst heißt es ja, dass Instagram süchtiger macht als Alkohol und Zigaretten. Das ist höchst gefährlich für die Psyche von sehr, sehr, sehr, sehr vielen Menschen.
Sie sind also kein Einzelfall?
Schink: Natürlich nicht. Ich glaube, dass in meinem Freundeskreis ein großer Teil Instagram-süchtig ist. Wenn ein Mädchen sich 83-mal fotografieren lässt, um ein perfektes Bild zu haben, dann ist es eine Sucht. Wenn junge Mädchen 80 Bikini-Bilder von sich machen lassen, weil fremde Menschen sich die Bilder anschauen sollen, dann stimmt doch was nicht.
Warum ist Instagram aus Ihrer Sicht gefährlicher als andere Plattformen?
Schink: Facebook wurde gegründet, um mit Freunden in Verbindung bleiben zu können, LinkedIn, um beruflich voranzukommen. Aber auf Instagram gibt es nichts anderes als die Aufmerksamkeit der anderen zu gewinnen. Deswegen mutieren wir alle eigentlich zu Arschlöchern und es herrscht nichts vor als soziale Angeberei. Und was noch ein Problem ist: Das Frauenbild ist entsetzlich. Wenn man einen guten Text schreibt über Politik und Wirtschaft, ergibt das Bild vielleicht 20 Prozent der Likes von einem Bikini-Bild.
Ein Doktortitel ist auf Instagram weniger wert als eine Heirat. Wenn ein Mädchen mitteilt, dass es seinen Doktor gemacht hat, gibt das weniger Likes als wenn es im Brautkleid dasteht oder einen Verlobungsring in die Kamera hält. Die Frauen auf Instagram zeigen sich nicht in einem progressiven Rollenbild, sondern sie zeigen sich zuhause. Sie dekorieren die Wohnung, das Schlafzimmer. Sie definieren sich als „wifey of“, sind für den Mann da, sie sind für die Kinder da. Da werden furchtbare Rollenklischees verbreitet.