Neue CD Startenor Jonas Kaufmann singt Operetten - Das Leichte wirkt schwer
Düsseldorf · Mit seiner neuen CD wagt sich Startenor Jonas Kaufmann an die Operette. Ein Seitensprung, der ihm live nicht immer gelingt.
„Im Prater blüh’n wieder die Bäume“ oder „Wien, Wien nur di allein“… Ach, Wiener Melodien können so schön sein, sich mit reichlich Schmäh an Ohr’ und Seele schmiegen. Selbst wenn sie von Titanen des Opernfachs intoniert werden. In diesem Fall von Jonas Kaufmann, der jetzt in der Düsseldorfer Tonhalle bejubelt wurde. Wie zuvor in Brüssel, Paris, Hamburg, Wien, München, oder Berlin. Auch wenn er nicht in seinem Hauptberuf – dem schweren Wagner- und Verdi-Fach – auftrat, sondern als Operetten-Tenor.
2019 brachte der singende Bühnen- und TV-Star mit den Wiener Philharmonikern unter Adam Fischer die CD „Wien“ heraus, die sich offenkundig wie warme Semmeln verkauft. Unterstützt von einer Tournee, die den Münchner jetzt nach Düsseldorf führte. Im Gepäck: die schönen alten Sachen, Lieder, Schnulzen, Arien und Duetten von Johann Strauß Sohn, Emmerich Kálmán und Franz Lehár.
Doch kann ein Jonas Kaufmann, der immer noch als bestbezahlter Tenor der Welt gehandelt wird, so einfach ins „leichte“ Fach wechseln? Er gönnt damit seinen Stimmbändern mal eine Pause, sagte er kürzlich. Mit gerade 50 hat der Sänger den Zenit seiner Karriere längst erreicht, wenn nicht überschritten. Das weiß man seit seiner Stimmkrise 2016, die ihn zu einer längeren Pause zwang. Und seitdem er, nach seiner Genesung, in manchen Musikmetropolen Opern-Termine wegen „Indispositionen“ immer mal wieder absagen musste. Selbst dieses Operetten-Konzert vor zehn Tagen in Nürnberg wurde gecancelt – wegen einer Erkältung, die für Stimmbänder von Tenören besonders gefährlich sein kann.
Kaufmann ist das Chamäleon unter den Tenören, wandlungsfähig und einsetzbar wie ein Joker beim Kartenspiel: Er passt immer. Er singt Lyrisches von Mozart, Dramatisches von Wagner, und bei Verdi nimmt man ihm den mediterranen Liebhaber ab. Und er kann auch Lieder von Franz Schubert subtil interpretieren. Auf seiner jetzigen Tournee ist er mit der „Prag Philharmonie“ und der südafrikanischen Sopranistin Johanni von Oostrum unterwegs. Dabei nutzt er in Düsseldorf Mikrofon und Lautsprecher-Unterstützung. Um, wie er dem Publikum gesteht, die „Schlager besser rüberzubringen“. Ungewöhnlich bei dem beträchtlichen Stimmvolumen, das Kaufmann hat. Fünf Zugaben sind es zum Schluss. Das Publikum dankt es ihm mit reichlich Applaus.
Zurück zum Fachwechsel. Viele unkten vorher, der in Bayreuth gestählte Heldentenor könnte mit seiner kraftbetonten Gesangstechnik die zart fließenden Strauß- und Lehár-Arien zertrümmern. Die Gefahr bestand nicht. Kaufmann wirkt jedoch ein wenig abgekämpft. Zehn Konzerte in gut drei Wochen absolviert er. Das ist kein Pappenstiel. Mit Wagner, Verdi oder Puccini hätten er und seine Stimme das kaum überstanden.
Einige Nummern laufen gut an. Mit sinnlicher Lust und Lockerheit – wie sie das Genre Operette verlangt – singt er aber nicht. Er schöpft nicht aus dem Vollen. Stattdessen kontrolliert Kaufmann seine Stimmbänder so stark, dass er häufig stocksteif an der Rampe steht. Schnell hört man: Sein Tenor ist nicht frei, strömt nicht, sondern er rettet sich manchmal in tonlosen Sprechgesang. An einigen Stellen indes lässt Kaufmann seinen schweren, baritonal gefärbten Tenor aufleuchten. Hier klingt er unverwechselbar. Doch vertragen Operetten solche Opern-Einsprengseln kaum. Leichtigkeit, die so schwer sein kann, hat Kaufmann nicht unbedingt drauf. Ihm liegen vielmehr die Ernsthaftigkeit und Psychogramme von Titelhelden in großen Musikdramen. Da ist er in vielen Rollen immer noch unschlagbar.