Interview Kopfecho-Sängerin Amy Vialon: „Eine Frau am Gesang, das ist schwierig, sagen sie“

Düsseldorf · Die Band Kopfecho hat ein neues Album. Und eine Frontfrau. Und das ist nicht jedem Konzertveranstalter recht. Ein Gespräch über Arbeit und Branche.

Amy Vialon und Sébastien Stauffert (2.v.r.) mit ihrer Band Kopfecho.

Foto: Tobias Witte

Kopfecho aus Düsseldorf sind auf dem Sprung: Gegründet und musikalisch aufgewachsen im selben Proberaum-Labyrinth an der Ronsdorfer Straße wie die Toten Hosen, die Broilers und Rogers, haben sie mittlerweile im ganzen Land eine treue Fanschar. Und sie haben mit „Etwas bleibt“ nun ein zweites Album aufgenommen, das sie in Sachen Songwriting und Song-Rasanz noch einmal auf eine neue Stufe hebt. Im Gespräch erklären das Frontfrau Amy Vialon und Gitarrist Sébastien „Sebi“ Stauffert.

„Etwas bleibt“ ist das zweite Album Ihrer Band. Was hat sich für Sie im Gegensatz zum ersten Album „Sehen, hören, fühlen“ geändert?

Vialon: Der eigene Anspruch. Es musste noch besser, noch cooler, noch schöner werden.

Stauffert: Wir waren zwei Jahre mit der ersten Platte unterwegs. Und irgendwann hat man die Songs dann auch über und kann sie nicht mehr hören. Dann will man automatisch, dass die neue Stücke besser werden als die alten.

Ist es Ihnen gelungen? Ist die neue Platte besser als die vorhergehende?

Vialon: Ja. Denn sie ist intensiver. Die Arbeit daran war intensiver.

Was haben Sie denn anders gemacht dieses Mal?

Vialon: Wir haben viel mehr ausprobiert im Studio. Und die Songs sind wirklich erst in den beiden vergangenen Jahren entstanden. Sie sind aktueller als damals. Auf „Sehen, hören, fühlen“ hatten wir Lieder gepackt, die noch aus der Anfangszeit der Band stammten. Es war eben unser erstes Album.

Stauffert: Ja. Auch wenn das jetzt sehr muckermäßig rüberkommt: Wir haben die Lieder mit einem Klick im Ohr eingespielt.

Für diejenigen, die das nicht kennen: Das ist eine Art Metronom, das den Takt genau vorgibt.

Stauffert: Genau. Und den verwenden wir jetzt auch bei den Proben und vor allem live, obwohl es da durchaus mal schneller zugehen kann. Ich weiß, dass der eine oder andere jetzt sagt: „Das ist doch kein Punkrock mehr!“ (lacht) Aber dieser Klick ist wichtig, allein schon weil…

Vialon: …Ich kein Taktgenie bin und gerne mal meinen Einsatz verpasse. (lacht)

Kopfecho ist eine relativ junge Band. Lassen Sie sich da noch problemlos von einem erfahrenen Produzenten reinreden – oder fühlen auch Sie sich dann schon an der Ehre gekratzt?

Vialon: Es ist nicht leicht, wenn man irgendetwas total super findet und dann hört: „Ist das Euer Ernst? Nein. Das geht so nicht.“

Stauffert: Es gibt schon Frustmomente. Aber meistens sind seine Vorschläge doch recht gut. Der beste Spruch, den wir uns anhören mussten: „Okay, wenn Ihr auf dem Dorffest vor Oma und Enkelin spielen wollt, dann können wir das so machen.“ Und da gibt es dann auch keine Nachfrage mehr von uns. (lacht) Kurzum: Wir haben viel dazugelernt.

Kommen wir mal zum Titel der neuen Platte und nehmen den mal wörtlich: Was bleibt Ihnen in Erinnerung von den Aufnahmen und dem Songwriting?

Vialon: Stress, Stress, Stress! (lacht)

Stauffert: Ich denke der Moment, wenn man alles aufgenommen hat und dann die ersten Versionen der Songs zu hören bekommt: Das war dieses Mal krass! Da habe ich gedacht: „Wahnsinn, was aus den anfänglichen Ideen geworden ist! Genau so habe ich mir das vorher vorgestellt!“

In Ihren Songs geht es um mitunter traurige Erinnerungen, nicht ganz einfache Beziehungen, politische Themen wie die Situation von Flüchtlingen. Auf dem Cover ist ein Skelett zu sehen, das Blumen im Arm hält. Sprich: Es regieren Melancholie, Schwermut und Ernst. Können Sie so richtig fröhlich nicht?

Vialon: Irgendwie nicht. Richtig positiv und fröhlich – das ist schwierig. Wenn ich so etwas singe, dann ist das direkt Schlager. Ich habe durchaus schon solche Lieder geschrieben. Aber sobald ich die dann im Proberaum präsentiert habe, wusste ich: „Oha…“ (lacht)

Bands, die auf Englisch singen, haben es da wahrscheinlich leichter.

Stauffert: Bestimmt. Hören Sie sich mal „Run to the hills“ von Iron Maiden an. Würde man den Text ins Deutsche übersetzen, dann könnte das auch Andrea Berg singen. (lacht)

Ein guter Tipp. Werde ich mal tun. Danke.

Stauffert: Gerne. Wissen Sie: Ich denke, melancholische, ernste Themen beschäftigen die Menschen auch mehr. Wenn es mir gut geht, dann habe ich irgendwie nicht so viel zu sagen. Finde ich.

Im Song „Ein letztes Mal“ greifen Sie die Flüchtlingsproblematik auf. Und zwar auf sehr interessante Weise: Eine Liebe wird auseinandergerissen. Kennen Sie jemandem, dem das passierte?

Stauffert: Nein. Das war unsere Idee. Sie sagen es ja schon: Es ist einfach mal ein anderer Ansatz. Ich bin keiner, der Bengalos auf der Bühne anzündet und dort gegen Nazis schreit. Ich finde es zwar gut und wichtig, wenn Bands das tun. Aber das tun eben viele. Und wir wollten für uns einen anderen Ansatz zu dieser Thematik haben. Eben: Was passiert, wenn sich derjenige, der sich hierzulande um Flüchtlinge kümmert, in eine Frau verliebt, die dann abgeschoben wird?

In einem der neuen Stücke singen Sie, Amy: „Komm‘ mir nicht mit Geduld.“ Sind Sie ein sehr ungeduldiger Mensch?

Vialon: Das kommt auf die Situation an…

Songwriting?

Vialon: Dann ganz sicher nicht! (lacht) Ich will am liebsten immer sofort wissen, wie das dann als Lied klingt!

Sie sind eine Band mit Frontfrau, nicht mit Frontmann. Die Diskussionen um eine Frauenquote unter Bands und Künstlern, die etwa für Festivals gebucht werden, wird immer lauter. Haben Sie schon mal in irgendeiner Form gemerkt, dass Sie und ihre Band anders behandelt werden?

Vialon: Ich habe lange gedacht, dass es da keine Unterschiede gibt. Aber: In letzter Zeit merke ich tatsächlich, dass es dadurch für uns tatsächlich hier und da schwieriger ist…

Inwiefern?

Stauffert: Wir sind jetzt bekannter. Entsprechend werden wir für mehr Konzerte und eben auch Festivals gebucht. Und da sagen Veranstalter durchaus: „Nee, wir nehmen jetzt lieber die vierköpfige Punkband, in der nur süße Jungs spielen. Denn das funktioniert immer. Mit Frau ist das anders…“

Vialon: Das ist tatsächlich so. Es wird offen gesagt: „Mit Frau am Gesang – das ist schwierig“, das bekommen wir häufiger zu hören. Und ganz ehrlich: Das ist schon verletzend. Für die Band. Aber auch speziell für mich.

„Etwas bleibt“ ist seit Freitag überall erhältlich. Am selben Tag feiern Kopfecho zudem ab 20 Uhr im Zakk die Veröffentlichung mit einem Konzert.