Beuys-Biographie: Der gar nicht so heilige Jupp
Das neue Buch des Düsseldorfers Hans Peter Riegel zerstört die Mythen um den Jahrhundert-Künstler Joseph Beuys.
Düsseldorf. Der Autor Hans Peter Riegel hat eine Biografie verfasst, in der er mit seinem Helden Joseph Beuys gnadenlos umgeht. Einer der wichtigsten Protagonisten der Kunst im 20. Jahrhundert wird vom Sockel gestoßen. Nicht mit Beschimpfungen, sondern mit Recherche. Drei Jahre lang hat Riegel Akten und Kriegsarchive gewälzt, Kameraden, Kollegen und Zeitzeugen befragt. Sein Ergebnis kommt einem Gerichtsurteil gleich: Der Mann mit dem Filzhut hat offensichtlich seine gesamte Biografie — von der Geburt bis zum Grabe — zurechtgebogen. „Alles Legendenbildung“, sagt der Autor.
Das beginnt mit der Geburt unter widrigen Umständen am 12. Mai 1921 am Krefelder Dampfmühlenweg, fern von Krankenhaus und Hebamme. Der Junge, der in Kleve aufwuchs, lebte dort nicht etwa auf dem Lande, wie er gern erzählte, sondern am „Rand eines Gewerbegebiets“, sagt Riegel. Mit einer Großwäscherei vor der Nase und dem Margarinewerk Van den Bergh am Bahndamm. Sein späteres Lieblingsmaterial Fett fand er also nicht bei seiner wundersamen Rettung auf der Krim, sondern vor der Haustür.
Gleich zweimal sei Beuys sitzengeblieben, habe schlechte Noten in Mathematik und Physik gehabt, keinen Schulabschluss, kein Abitur und „nicht einen einzigen Tag an einer Universität Naturwissenschaften studiert“, so Riegel. Die Behauptung, an der Reichsuniversität Posen studiert zu haben, entbehre der Realität.
Sehr sachlich berichtet Riegel vom Absturz des scheinbar todesmutigen Kampffliegers Beuys 1944, wo er aus Kälte und Schnee durch nomadisierende Tataren gerettet wurde. Tataren habe es seit Stalin nicht mehr auf der Krim gegeben. Der Schädelbasisbruch sei laut Riegel im Krankenbuch als bloße Gehirnerschütterung und Platzwunde zu finden. Kein feindlicher Beschuss sei die Ursache, sondern das Unvermögen des unerfahrenen Fliegers. Er war zum Bordfunker ausgebildet, nicht zum Piloten. Beuys habe eine unglaubliche Hybris entwickelt, so dass er sich über die Wahrheit hinwegsetzen konnte, vermutet Riegel.
Beuys, so der Autor, war bei der Bücherverbrennung dabei gewesen, habe sich freiwillig zum Kriegsdienst gemeldet, muss auf Gegner geschossen haben und sprach noch 1985 von der Auferstehung Deutschlands durch die deutsche Sprache und hatte ein ehemaliges SS-Mitglied als Medienreferent. Selbst künstlerische Ansätze werden von Riegel entzaubert. Der theoretische Überbau gründe auf der Lehre des Anthroposophen Rudolf Steiner. Beuys sei ein „selbst ernanntes Sprachrohr“ des Steiner-Kosmos gewesen, sei besessen von der Aufgabe als Weltenhüter. „Beuys war ein Missionar“, so Riegel.