"Bilder deiner großen Liebe": Ein großartiges und trauriges Vermächtnis
Posthum ist jetzt Wolfgang Herrndorfs "Bilder deiner großen Liebe" erschienen.
Düsseldorf. Es hat nicht mehr sein sollen. Wolfgang Herrndorf, der mit dem Jugendroman „Tschick“ ein Millionenpublikum bis ins Herz rührte, konnte sein letztes Werk nicht vollenden. Am 26. August 2013 setzte der hoffnungslos krebskranke Autor mit 48 Jahren in Berlin seinem Leben ein Ende. Genau dreizehn Monate später erscheint jetzt das nachgelassene Manuskript als „unvollendeter Roman“ — ein ebenso großartiges wie todtrauriges Vermächtnis.
Unter dem noch von ihm gewählten Titel „Bilder deiner großen Liebe“ erzählt Herrndorf von der 14-jährigen Isa, die einst die Helden von „Tschick“ (2010) bei der Suche nach einem Tankschlauch auf der Müllhalde traf. Doch während die Romanfreunde Maik und Andrej alias Tschick damals auf ihrer Lada-Fahrt durch Ostdeutschland die Widrigkeiten des Lebens noch mit einer guten Portion Galgenhumor nehmen konnten, hat Isa den Boden unter den Füßen ganz verloren. „Ich komme aus der Scheiße, und in die Scheiße gehe ich irgendwann auch wieder. Aber zwischendurch werde ich berühmt“, sagt sie einmal.
Daraus wird natürlich nichts. Sie ist aus der Klapse geflohen, in die sie wegen ihrer verrückten Schübe eingesperrt war. Barfuß will sie sich zu ihrer Halbschwester nach Prag durchschlagen. Sie trifft dabei ein ganzes Universum skurriler und kaputter Typen, ehe sie schließlich bei den beiden Jungs auf besagter Müllhalde landet. „Die Sterne wandern, und ich wandre auch.“
„Keine Fragmente aufbewahren, niemals Fragmente veröffentlichen“, hatte der Schriftsteller vorab in einem Testament verfügt. Dennoch stimmt er schließlich zu, dass die langjährigen Weggefährten Marcus Gärtner und Kathrin Passig das vorliegende Material ordnen und redigieren, vorhandene Lücken aber nicht verbergen, besonders auf jeden „Germanistenscheiß“ verzichten.
Und so ist denn Herrndorfs letzter Roman eine Geschichte mit Brüchen und gelegentlichen Ungereimtheiten. Vor allem aber ist es ein großes, ergreifendes Dokument der Auseinandersetzung mit dem Tod. Denn Herrndorf gibt seiner Isa all die Angst und Verlorenheit mit, die diesen Weg begleiten. „Ich fühle mich so wohl und so tot und wie ein aufgestauter Fluss, über den in der Nacht immer wieder einmal der Wind geht“, notiert sie einmal. Und weiß seit jeher, dass sie „im Fallen“ sterben will.
An Wolfgang Herrndorf erinnert am Hohenzollernkanal in Berlin, an dem sein Leben ein Ende nahm, heute ein „stümperhaft zusammengeschweißtes Metallkreuz“, wie er es sich gewünscht hat. Jemand hat Blumen hingelegt. Wie sagt im Roman ein Mann zu Isa? „Das Glück macht nie so glücklich wie das Unglück unglücklich.“