Cornelia Funkes neuer Kinderroman „Geisterritter“
Hamburg/Los Angeles (dpa) - Eigentlich steckt Bestsellerautorin Cornelia Funke mitten in ihrer „Reckless“-Fantasie-Welt hinter dem Spiegel. „Im Moment ist mein Schreibhaus von oben bis unten zugekleistert mit Bildmaterial zu "Reckless 2"“, sagt die 52-Jährige über ihr Langzeitprojekt - fünf Bände sollen es werden.
„Aber während ich an "Geisterritter" arbeitete, war da auch Platz für ein Poster von Longspees Sarkophag und Fotos der Kathedrale.“
Denn bevor Funke die Fortsetzung ihrer „Reckless“-Reihe auf den Markt bringt, will sie mit „Geisterritter“ speziell ihre jüngeren Fans wieder zurückerobern. Das in diesen Tagen erscheinende Buch kündigt der Hamburger Cecilie Dressler Verlag ausdrücklich als „großen Kinderroman“ für Leser ab zehn Jahren an.
Es ist noch nicht einmal ein Jahr her, dass Funke die Fantasy-Fans mit ihrem neuen Helden Jacob Reckless und dessen Bruder Will erstmals mit auf die Reise ins magische Märchenreich hinter dem Spiegel nahm. Der Auftakt zur neuen Reihe der Schriftstellerin, die vor sechs Jahren von Hamburg nach Los Angeles zog, eroberte wie gewohnt die Bestsellerlisten, erntete aber gemischte Kritik. „Auf "Reckless" erhielt ich Reaktionen wie: Oh Gott, was macht sie denn jetzt?! Jetzt schreibt die Funke aber ganz anders!“, erzählt die Autorin.
„Mit "Geisterritter" kann ich meinen jüngeren Lesern beweisen, dass ich noch immer sehr leidenschaftlich auch für sie arbeite, obwohl ich mit "Reckless" etwas ganz anderes mache.“ Die Idee dazu hatte sie schon vor Jahren.
Funke, der mit „Herr der Diebe“ auch international der Durchbruch gelang und die spätestens seit der „Tintenwelt“-Trilogie auch vielen erwachsenen Lesern bekannt ist, war klar: Mit „Reckless“ beginnt nicht nur für ihre literarischen Figuren, sondern auch für sie selbst ein Abenteuer. Doch für ihre ganz jungen Leser war die „Reckless“-Welt zu düster und zu brutal.
Funkes „Entschädigung“: Mit „Geisterritter“ liefert sie eine spannende und mit ebenso leichter wie magischer Feder geschriebene Geschichte über gruselige Geister und tapfere Ritter, Internatsleben und Freundschaft. Schauplatz ist das englische Salisbury mit seiner Kathedrale aus dem 13. Jahrhundert.
In jener Kirche wurde William Longspee (Longespée), zwischen 1175 und 1180 als unehelicher Sohn des englischen Königs Heinrich II. geboren, im Jahr 1226 bestattet (ein Glossar am Ende des Buches hilft Kindern weiter). Der Geist des Halbbruders von Richard Löwenherz soll jenen helfen, die ihn in größter Not rufen. Darauf hofft auch Jon Whitcroft, der schon bald nach seiner Ankunft in Salisbury merkt, dass es andere Geister auf ihn abgesehen haben.
Jon ist elf Jahre alt und wird von seiner Mutter und ihrem neuen Freund auf ein Internat geschickt. Ein Geschichte über einen Jungen auf einem englischen Internat - geschrieben von der „deutschen Joanne K. Rowling“, die dann auch selbst auf den berühmtesten aller Zauberschüler verweist: „Meine achtjährige Schwester hätte zu gern getauscht mit mir“, lässt sie Jon sagen, „seit sie "Harry Potter" las, wollte sie unbedingt auf ein Internat“.
Neben Jon gibt es noch die tapfere Mitschülerin Ella und deren schrullige, mit Pflanzennamen wie Stinkwurz oder Nesseldreck fluchende Großmutter Zelda, die Geistertouren für Touristen anbietet, und natürlich Geister - gute wie böse.
Funke, selbst Illustratorin, gestaltete ihr Buch mit Bildern von Friedrich Hechelmann. „Mir schwebte vor, es wie ein altes Märchenbuch aussehen zu lassen“, sagt sie, „so wie ich es aus meiner Kindheit kannte, als immer einige wenige Illustrationen farbig waren.“ Am Ende habe ihr Verlag sie mit durchweg farbigen Illustrationen überrascht, erzählt Funke, die sich zudem erstmals für die Ich-Form entschied.
„Bei diesem Buch passte es, weil es die persönlichen Erfahrungen des Jungen sind“, erklärt sie und betont: „Ich bin eigentlich nie in der Versuchung, die Ich-Form zu wählen, weil ich es einfach lieber habe, wenn ich in die Haut mehrerer Figuren schlüpfe und so die Perspektive wechseln kann.“ So wie sie zwischen ihren Fantasie-Welten wechselt - längst ist sie schon wieder hinter dem „Reckless“-Spiegel.