„Der Seidenspinner“: Neuer Krimi von J.K. Rowling
München (dpa) - Als „eine einzige gewaltige Explosion der Bösartigkeiten und Obszönitäten“ - so sieht Privatdetektiv Cormoran Strike das Verbrechen, mit dem er sich in den vergangenen Tagen beschäftigen musste.
J.K. Rowling - hier wieder unter ihrem Pseudonym Robert Galbraith agierend - schickt den eigenwilligen Ermittler und dessen Assistentin Robin in ihrem neuen Krimi „Der Seidenspinner“ auf Mördersuche im Schriftstellermilieu. Es ist in der Tat ein grausiges Verbrechen, mit dem die „Harry Potter“-Autorin ihre Leser diesmal konfrontiert.
Alles beginnt mit dem Auftrag einer verzweifelten Frau, ihren verschwundenen Ehemann zu suchen, einen erfolglosen Schriftsteller. Strike - obwohl er kaum davon ausgehen kann, von ihr bezahlt zu werden - sieht darin eine willkommene Abwechslung zwischen den nervtötenden Beschattungsaufträgen reicher misstrauischer Paare. Zunächst denkt niemand an Mord, da Owen Quine nicht zum ersten Mal untergetaucht ist. Auch nicht, als bekannt wird, dass Quine in seinem neuen Buch „Bombyx Mori“ (Seidenspinner) eine Menge Leute aus dem näheren Dunstkreis bloßstellen wollte.
Als Strike schließlich die ausgeweidete und mit Säure entstellte Leiche des Mannes findet, steht für die Polizei schnell der Täter fest: die frustrierte, betrogene Ehefrau. Anscheinend ist sie bei dem Verbrechen der Romanvorlage ihres Mannes gefolgt. Doch für Strike ist die Sachlage komplizierter, und er ermittelt auf eigene Faust und gegen den Willen der Beamten weiter. Womit er einmal mehr den berühmten Scotland Yard vorführt.
Galbraith alias Rowling schickt Strike nach dem Debüt „Der Ruf des Kuckucks“ (2013) zum zweiten Mal in die Spur. Und wieder gelingt ihr die Figur des charismatischen Detektivs besonders gut. Der Leser leidet mit dem beinamputierten und oft bis zur Selbstaufgabe engagierten Mann, wenn er sich durchs regennasse oder schneeverwehte London quält und in mühseliger Kleinarbeit Fakten zusammenträgt, die ihn nicht selten in Sackgassen führen. Seine ebenso hübsche wie pfiffige Assistentin Robin ist die perfekte Ergänzung.
Mit den anderen Protagonisten hat die britische Autorin einen Pool skurriler oder alltäglicher Menschen geschaffen, die mehr oder weniger das Konstrukt des bizarren Falls stützen, wobei der begrenzte Kreis der Verdächtigen aus dem Autoren- und Verlegerlager naturgemäß am interessantesten ist. So sind die Einsichten, die die 49-Jährige in ihr ureigenstes Element gewährt, selbstironisch und zum Schmunzeln: „(...) Autoren sind eine gnadenlose Brut. (...) Wer lebenslange Freundschaft und selbstlose Kameraderie sucht, sollte zur Armee gehen(...). Wer sich ein Leben voller temporärer Allianzen mit Kollegen wünscht, die sich im Versagen des anderen sonnen, muss Romane schreiben.“
Dass sie das kann, stellt sie mit „Der Seidenspinner“ einmal mehr unter Beweis, auch wenn es nicht immer leicht fällt, ihrer Logik zu folgen. Und an dieser oder jener Stelle hätte der Verzicht auf klischeehafte Adjektive (zum Beispiel über und über tätowierte Knast-Insassen) gut getan. Doch der im klassischen Stil geschriebene Krimi weist alles auf, was zu einem guten Buch des Genres gehört: ein außergewöhnlicher Fall, ein sympathisches Ermittlerteam und Spannung bis zum Ende.
- Robert Galbraith: Der Seidenspinner, Blanvalet Verlag München, 672 Seiten, 19,99 Euro, ISBN 978-3-7645-0515-8