Deutsche Autoren streiten über Libyen

Berlin (dpa) - Martin Walser ist dagegen, Peter Schneider dafür: Der NATO-Einsatz in Libyen spaltet Deutschlands Schriftsteller.

Während Walser („Tod eines Kritikers“) die Kanzlerin Angela Merkel (CDU) für die deutsche Enthaltung lobt, wirft Ralph Giordano der Bundesregierung „eine fatale Beschwichtigungspolitik“ vor, wie Gespräche der Nachrichtenagentur dpa mit Autoren ergaben. Zu den Befürwortern gehören die „Alt-68er“ Peter Schneider und Hans Christoph Buch, die sich mit dem Liedermacher Wolf Biermann dem Appell französischer Intellektueller gegen Machthaber Muammar al-Gaddafi angeschlossen haben. Auch die Berliner Akademie der Künste mit ihrem Präsidenten Klaus Staeck hatte das vom UN-Sicherheitsrat beschlossene Flugverbot begrüßt.

Er bewundere Merkel, dass sie Deutschland „aus diesem Abenteuer heraushält“, sagte Walser. „Das darf sie, das muss sie als deutsche Politikerin.“ Der Autor, der an diesem Donnerstag 84 Jahre alt wird, sieht eine Lehre aus dem Afghanistan-Krieg: „Sie haben gelernt, was dabei herauskommt, wenn man sich auf Kriegsabenteuer einlässt.“ Walser verglich die deutsche Zurückhaltung in Libyen mit dem Nein Deutschlands zum Irak-Krieg unter Gerhard Schröder (SPD): „Das war seine historische Leistung, dass er uns da herausgehalten hat.“

Weil Deutschland sich unter anderem mit China und Russland im UN-Weltsicherheitsrat der Stimme enthielt, befindet sich Deutschland für Hans Christoph Buch in schlechter Gesellschaft. „Bei allem Respekt vor diesen Weltmächten - sie sind keine Demokratien, keine Rechtsstaaten“, sagte Buch. „Deutschland will seine Ruhe haben“, Intellektuelle, die sich sonst sehr schnell zu Wort meldeten, hielten die Lage in Libyen offenbar für unüberschaubar - und schwiegen am liebsten.

„Ich gehöre zur 68-Generation, die manchmal zu schnell war mit ihren Äußerungen“, sagte der 66-Jährige. „Die Jüngeren haben aber wohl den Reflex des Pazifismus verinnerlicht und halten nun jedes militärische Eingreifen für verdächtig.“

Für Pazifismus gibt es angesichts der Bilder aus Libyen nach Meinung von Ralph Giordano (88) keinen Grund. „Die Lehre aus meinen eigenen Lebenserfahrungen: Früher eingreifen, die Despoten, Gewalttäter und Folterhäuptlinge wie Gaddafi nicht solange ungeschoren lassen! Hitler bleibt das klassische Lehrbeispiel dafür, welche Folgen die Verzögerung hat“, sagte Giordano, der in der Nazizeit als Jude verfolgt wurde, in Köln.

„Kläglich und verlogen“ nennt auch Peter Schneider („Der Mauerspringer“) die deutsche Zurückhaltung. Auch die Erfahrungen mit dem Irak-Krieg will Schneider (70) nicht gelten lassen. „Eine der fatalsten Ausreden der Politik besteht in dem Verweis auf die angeblichen Lehren der Geschichte“, sagte Schneider der „Berliner Zeitung“ (Mittwoch). Der Irak-Krieg basierte auf der Lüge über die Existenz von Massenvernichtungswaffen und war von einem UN-Mandat nicht gedeckt. „In Libyen geht es darum, ein aufständisches Volk vor einem mörderischen Diktator zu schützen.“

Wenige Tage nach dem von den französischen Philosophen Pascal Bruckner, André Glucksmann und Bernhard-Henri Levy gestarteten Appell hatte Präsident Nicolas Sarkozy die Initiative ergriffen. „In Deutschland hat man Angst vor einem neuen Wüstenfeldzug à la Rommel, den ich aber nicht sehe, denn nach Libyen sollen keine Bodentruppen entsandt werden - und das ist auch gut und richtig so“, sagte Buch. In Frankreich sei dagegen die Intervention populär. „Man erinnert sich an die Résistance, die ohne militärische Hilfe von außen zum Untergang verurteilt gewesen wäre.“