Fantasy-Autor Wolfgang Hohlbein: Der Nachtarbeiter
Wolfgang Hohlbein aus Neuss zählt zu den erfolgreichsten deutschen Autoren. Seine Spezialität: Fantasy.
Düsseldorf. Diabolische Fabeltiere aus Stein bewachen den Eingang. Gleich neben dem verklinkerten Reihenhaus beginnen die niederrheinischen Felder. Hier in Neuss lebt Wolfgang Hohlbein, geboren in Weimar, mit fünf von insgesamt sechs Kindern. An den Wänden hängen Schwerter und Schilde, in einer Ecke steht eine mannshohe Ritterrüstung.
Den Hohlbeins gehört inzwischen die ganze Häuserzeile. Über 40 Millionen Bücher hat der Autor in den vergangenen 30 Jahren weltweit verkauft, sagt sein Management. Damit zählt er zu den meistverkauften lebenden deutschen Schriftstellern.
Zum Vergleich: Die Erfolgsautoren Patrick Süskind, Charlotte Link und Cornelia Funke kommen ihren Verlagen zufolge auf jeweils gut 20 Millionen Bücher. Michael Ende (1995 gestorben) hat es nach Angaben seines Verlags auf 33 Millionen gebracht.
Wolfgang Hohlbein ist ein freundlicher, schmächtiger Mann mit langen Haaren, Vollbart und Brille. Und er ist ein „Workaholic“, schreibt mehrere Bücher pro Jahr, inzwischen sind es insgesamt um die 200. „So genau weiß ich das auch nicht“, sagt er.
Hohlbein, aufgewachsen in Krefeld, arbeitet gerne nachts, schreibt seine Geschichten per Hand in eine dicke Kladde, bevor er die Texte mit einem digitalen Lesestift in den Computer einspeist.
Der 59-Jährige zieht an seiner E-Zigarette: „Bis vor drei Jahren hab’ ich zwei Packungen Zigaretten pro Tag geraucht.“
Warum er in Neuss lebt? „Irgendwo muss man ja wohnen. Wir sind vor 30 Jahren hergezogen, weil das Bauland günstig war. Inzwischen sind wir hier zu Hause, haben hier unsere Freunde und Feinde. Aber vor ein paar Jahren, da hatten wir mal Stress mit dem Finanzamt. Da haben wir ernsthaft überlegt auszuwandern.“
Der gelernte Industriekaufmann hatte seinen Durchbruch als Schriftsteller 1982 mit dem Roman „Märchenmond“. Immer noch ist das Buch sein Top-Bestseller — mit weltweit an die sechs Millionen verkauften Exemplaren und meist jugendlichen Lesern. Bei den Erwachsenen ist „Das Druidentor“ (1993) der Spitzentitel, Auflage: 2,5 Millionen.
Vor „Märchenmond“ schrieb Hohlbein Kurzgeschichten und Heftromane, schnell produzierte Unterhaltungsliteratur. Als erster deutscher Autor veröffentlichte er ein Werk ausschließlich digital im Netz: „Das zweite Gesicht“ verkaufte sich immerhin 300 000 Mal.
Sein Erfolgsgeheimnis? „Am Anfang war ich schlichtweg der Einzige. Außer Michael Ende und mir gab es in Deutschland niemanden für fantastische Literatur.“ Mittlerweile habe sich das Genre etabliert. „Ich hatte das Glück, dass ich den Zeitgeschmack getroffen habe. Man muss einfach Geschichten schreiben, die man selber gerne lesen würde.“
„Hohlbein bedient seine Genres Horror und Fantasy zielsicher. Er spielt mit Bildern, die schon in den Köpfen der Leute sind“, sagt Rainer Uebelhöde, Vize-Chefredakteur des Fachmagazins „Buchreport“. „Alles was er schreibt, scheint zu Gold zu werden.“
Zu den Film-Erfolgen „Fluch der Karibik“ und „Indiana Jones“ schrieb er auf Grundlage der Drehbücher nachträglich die Romane. Hohlbein hat manche Talente: Mit den Bands „Manowar“ und „Schandmaul“ realisierte er Musikprojekte, er schrieb auch schon eine Rock-Oper.
Inspiration ist ihm das tägliche Leben. Im Museum habe er mal ein recht kitschiges Bild von Venedig gesehen. Daraus entstand die Science-Fiction-Geschichte einer versinkenden Stadt auf einem anderen Planeten, auf dem die Leute auf Sand gebaut haben „und die Keller nach 10 000 Jahren 300 Stockwerke ins Erdreich ragen“.
Derzeit arbeitet er an einem Thriller mit geschichtlichem Hintergrund, der in Chicago spielt. „Ich mache mir oft einen Spaß daraus, gegen die Regeln zu verstoßen. Mal bringe ich nach zwei Dritteln den Protagonisten um. Oder ich wechsle die Erzählperspektive. Theoretiker würden sagen: ,Das geht nicht.’ — Doch, doch, das geht alles.“
Auf dem Dachboden seines Hauses hat Hohlbein ganze Armeen versammelt, Heere von Miniatur-Kriegern, selbstgebaute Burgen, mittelalterliche Städte. Sogar die winzigen Dachziegel hat er gebastelt — „zur Entspannung“ zwischendurch.
Hohlbeins Buch „Pestmond“ soll bald auf den Markt kommen. Auf dem Esstisch liegt die dicke Kladde mit dem übernächsten Werk. Die Seiten sind eng beschrieben mit seiner sauberen, kleinen Schrift. Nirgendwo Streichungen. „Später, am Computer, ändere ich schon noch das ein oder andere“, sagt er.