Frau soll frei vom Kind sein

Corinne Maier schreibt über die gesellschaftlichen und seelischen Nachteile der Mütter.

Düsseldorf. Erst schrieb sie gegen den Mythos vom erfüllten Berufsleben, jetzt ist das traute Kinderglück daheim dran. Die französische Autorin Corinne Maier hat sich nach der Arbeitswelt nun die Familie vorgeknöpft. Die 44 Jahre alte studierte Volkswirtin und Mutter von zwei Kindern schreckt dabei in ihrem neuen Buch "No Kid - 40 Gründe, keine Kinder zu haben", erneut vor scharfer Provokation nicht zurück: "Wenn wir alle wachsam sind, dringt kein Spermium bis in die Eizelle vor."

Für Maier verdeckt der neue "Kinderkult" der Industriestaaten, der in Frankreich mit familienpolitischen Segnungen gefördert wird, oft die Leere der Erwachsenen. Und der Staat ist zufrieden, weil Bürger, die mit Kindern beschäftigt sind, nicht mehr aus der Reihe tanzen. Da hilft nur Nachwuchsverweigerung.

Kinderkriegen tut schrecklich weh, es ruiniert den Körper, unterminiert Geist, Beziehung und Karriere, warnt die Französin. An guten Sex ist nach der Geburt für lange lange Zeit auch nicht mehr zu denken.

Während der Mann sich mehr als zuvor ins Büro verdrückt, mutieren gebildete Frauen zu Familienwesen ("Famimami"), an denen die Kinder wie die Kletten hängen. Den Urlaub kann man dann nur noch in schwachsinnigen Touristenburgen verbringen, weiß Maier und muss dafür bald astronomische Summen zahlen, weil die Schulferien die Familie in die Hauptsaison zwingen. Der Kontakt zu früheren Freunden ohne Kinder reisst bald ab, weil diese Angst um ihre CD-Sammlung haben.

Den "Postkartenmotiven" vom Familienglück misstraut die ausgebildete Psychoanalytikerin - nicht nur, weil Kinder aus ihrer Sicht latent sadistische Mitläufer und keineswegs so edel und "ideal" sind, wie sie seit Rousseau gesehen werden. Sondern auch, weil sie ein horrendes Geld kosten - nach Schätzungen aus Spanien bis zur Volljährigkeit bis zu 300000 Euro.

Am meisten zahlt dabei fast immer die Mama drauf, die zugunsten der Familie mit einem Halbtagsjob vorlieb nimmt. "Mutterschaft - eine Falle für die Frau", schreibt Maier. 80 Prozent der Mütter in Frankreich arbeiteten, aber nur 30 Prozent in Führungs-Jobs.

Dieser Punkt ärgert Maier spürbar am meisten: Ihr flott und rotzig geschriebenes "No Kid" ist in Wirklichkeit kein Baby-Hasserbuch - auch wenn sie in einem Zitat Michel Houellebecqs mal von Kindern als "grausamen Giftzwergen" und von schwangeren Müttern als "unförmigen, dicken gemästeten Tieren" spricht.

"No Kid" will provozieren und ist in Wahrheit ein Aufruf, Frauen ohne Kinder nicht als karrieregeil und neurotisch zu diskriminieren. Niemand dürfe die Frage nach dem Sinn des Lebens nur mit der eigenen Fortpflanzung beantworten und Kinder als Ausrede für die Beerdigung aller Jugendträume missbrauchen, fordert Maier.

Ihren eigenen Träumen wird die Autorin mit dem absehbaren kommerziellen Erfolg des neuen Werks wieder einen Schritt näher kommen. "Ich werde spät aufstehen, um die Welt reisen, mir meine Zeit frei einteilen, ohne mich nach den Kindern richten zu müssen, ich werde verschont bleiben von Hausaufgabenbetreuung", beschreibt sie in der FR-Online ihr Leben nach dem Auszug der Kinder. Enkelkinder sind für sie tabu: "Machen Sie Witze? Mit 50 beginnt mein Leben wieder", sagt sie.

Corinne Maier: No Kid. 40 Gründe, keine Kinder zu haben Rowohlt Taschenbuch Verlag, 144 Seiten, 12 Euro, ISBN: 978-3-499-62387-5