Grönemeyer hält Vorlesung zum Liederschreiben
Leipzig (dpa) - Erst Musik, dann das Chaos und dann der Text: Herbert Grönemeyer dichtet erst, wenn die Melodie steht, wenn er weiß, „welche Gefühle in einem Song stecken.“
Der Popmusiker hat vor etwa 500 Menschen in Leipzig zum Reformationstag eine Poetikvorlesung gehalten und den Entstehungsprozess seiner Liedtexte erklärt. „Bevor ich einen Text schreibe, lese ich alles, was ich kriegen kann kreuz und quer: Gedichte, Zeitungsartikel, Bücher. Dann schreibe ich mir den Korken aus dem Kopf“, sagte Grönemeyer im Alten Rathaus der Stadt Leipzig. Wie fast alle Konzerte seiner aktuellen Tour war auch seine Vorlesung komplett ausverkauft.
„Die Musik Herbert Grönemeyers ist stark von den Texten geprägt. Wir fanden die Überlappung von Literatur und Musik sehr spannend“, sagte der Geschäftsführer des Deutschen Literaturinstituts, Claudius Nießen. Leipzigs Literatur-Professoren und die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen holten Grönemeyer für die diesjährige Vorlesung „Schreibweisen der Gegenwart“. Mehr als 1200 Ticket-Anfragen hatte es dafür gegeben, eilig organisierten die Veranstalter einen zusätzlichen Raum und eine Live-Übertragung per Videostream.
Grönemeyer gab tiefe Einblicke in seine Arbeit. Er betonte, dass seine Lieder stets handschriftlich entstehen und er an mehreren Stücken gleichzeitig arbeitet. „Ich schreibe immer zuerst die Musik und dann die Texte“, sagte der in London lebende Künstler. Um neu komponierte Lieder trotzdem besingen zu können, verwendet Grönemeyer sogenannte Bananentexte, also völlig sinnlose Verse. In Leipzig spielte er dem Publikum ein bisher unbekanntes Stück auf dem Klavier vor und besang es mit einem englischen „Bananentext“. Der 56-Jährige erntete tosenden Applaus.
Grönemeyer erklärte seine Liedtext-Sprache auch biografisch. „Ich versuche, in meinen Texten immer wieder zu meiner kurzen und trockenen Heimatsprache zu kommen.“ Grönemeyer ist in Göttingen geboren und im Ruhrgebiet aufgewachsen. Texten sei für ihn ein spannender Balance-Akt, der ihn regelmäßig verzweifeln lasse. Die ersten Schreibentwürfe seien bei ihm meistens wüst und chaotisch. Der Musiker beklagte, dass die Sprache in seinen Liedern schmaler ausfallen müsse, damit noch Platz für die Gefühle der Musik bleibt.
Die Leipziger Poetikvorlesung gibt es seit 2007 jedes Jahr. Zu den Referenten gehörten unter anderem die Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller sowie der Schriftsteller und Übersetzer Harry Rowohlt.