Interview/Steffen Möller: Ein Deutscher in Polen
Der Wuppertaler Steffen Möller ist ein in Polen sehr beliebter deutscher Kabarettist.
Düsseldorf. WZ: Herr Möller, Sie müssen das ausbügeln, was die Vertriebenverbände zerknittert haben?
Steffen Möller: Das ist nicht schlecht formuliert. Allerdings ist es zu einem direkten Bügeln bislang gar nicht gekommen. Ich mache ja gar nicht viel. Man unterstellt mir, dass ich unterwegs bin mit Talar, auf einer Kanzel spreche, Völkerverständiger bin. In Wirklichkeit mache ich nur Kabarett und trete im Fernsehen auf, und das eben in Polen.
WZ: Warum sind Sie überhaupt da drüben?
Möller: Die Mentalität und die Sprache haben es mir angetan. In meiner Heimatstadt Wuppertal hatte ich ja keine Ahnung, dass es so eine Sprache wie Polnisch überhaupt gibt.
WZ: Warum spielen Sie einen deutschen Kartoffelbauer? Ist das eine Anspielung auf den letzten Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski?
Möller: Nein, die Rolle ist viel älter. Sie wurde mir im Jahr 2002 auf den Leib geschrieben. Im Rahmen des Beitritts zur EU sollte ich in einer Fernsehserie kurz auftauchen, habe mich dort aber bis heute gehalten.
WZ: Gibt es viele deutsche Migranten in Polen?
Möller: Ja. Viele schreiben mir und beschweren sich, dass sie permanent gesagt bekommen, dass sie den gleichen Akzent haben wie Steffen Möller. Ein Mann hat mir geschrieben, er könne meinen Namen nicht mehr hören, er habe das Gefühl, er lebe im Jahr "Eins nach Steffen".
WZ: Haben die Deutschen in Deutschland noch Vorurteile gegenüber den Polen?
Möller: Ich habe mir heute in Berlin eine Wohnung angeschaut. Als der Vermieter mich nach meiner letzten Steuererklärung fragte und ich mitteilte, dass ich in Polen meine Steuern bezahle, habe ich in den Augen meines Gesprächspartners gesehen, dass in diesem Moment meine Chancen auf diese Wohnung um 50 Prozent gesunken waren.
WZ: Stimmen denn die Vorurteile?
Möller: Nein. Die Schnurrbärte sind fast alle abrasiert. Der Wodkakonsum ist in den letzten sieben Jahren um die Hälfte zurückgegangen. Es gibt viel weniger Autodiebstähle als früher. Allerdings ist die Kriminalitätsrate in Polen sowieso geringer als in Deutschland. In postsozialistischen Staaten haben die meisten Menschen alle gleich wenig. Da lohnt sich das Klauen nicht.
WZ: Was ist lustig an den Polen?
Möller: Sie haben auch am hellichten Tag einen Sinn für Humor. Mein Klempner in Warschau hat eine Visitenkarte, da steht drauf: "Pjotr Soschinski, Klempner, langsam, teuer, unsolide". Die Leute verstehen, dass das Ironie ist und deshalb rufen sie ihn an. Die Polen haben eine Schlagfertigkeit, die man nur mit der Berliner vergleichen kann. Den Polen fehlt dabei aber das Raubeinige. Sie sind viel charmanter.
WZ: Entsprechen Sie als liebevoller Kartoffelbauer dem Bild, das die Polen von uns haben?
Möller: Nein. Polen denken an das Fußballspiel der letzten WM gegen Deutschland, da hat Polen verloren. Der Pole denkt an das Handballspiel der letzten WM gegen Deutschland, da hat Polen verloren. Die Deutschen sind für die Polen die ewigen Gewinner. Die Deutschen sind arrogant, humorlos, wollen die ganze Welt beherrschen und haben eine furchtbar harte Sprache.
WZ: Vorurteil oder Urteil?
Möller: Polen und Deutsche sind zwei Nationen, die sich so ähnlich sind wie sonst keine in Europa. Wir kennen die gleiche Gemütlichkeit. Wir sitzen in Schrebergärten, grillen Würstchen, trinken Bier. Wenn man sich als Deutscher überhaupt für Polnisch interessiert, denkt man: Das ist eine höllenschwere Sprache. Aber auch da gibt viele Gemeinsamkeiten, viele ähnliche Worte. In Polen trinkt man Bruderschaft miteinander.