J.K. Rowlings Krimi-Debüt: „Der Ruf des Kuckucks“

München (dpa) - Dass sie Fantasie im Übermaß besitzt, weiß seit „Harry Potter“ die ganze Welt. Dass sich J.K. Rowling darauf versteht, eine düstere und spannungsgeladene Atmosphäre zu schaffen, ebenfalls.

Die besten Voraussetzungen also, um sich einem Genre zuzuwenden, das genau jene Zutaten braucht: dem Kriminalroman. Die Britin hat es gewagt - wenn auch unter dem Pseudonym Robert Galbraith - und mit ihrem Debüt „Der Ruf des Kuckucks“ erstmals einen Thriller vorgelegt, der nun auch in deutscher Sprache auf den Büchermarkt kommt. Und er beginnt - natürlich - mit einem Todesfall.

Das junge erfolgreiche Model Luna Landry stürzt von seinem Balkon in den Tod. Von der Polizei wird der Aufsehen erregende Fall als Suizid eingestuft. Es gibt nur wenige Zweifler, denn Luna galt als depressiv. Und doch beauftragt Lunas Bruder John Bristow einen Privatdetektiv, um die näheren Umstände des angeblichen Selbstmordes seiner Schwester aufzuklären. Er wählt ausgerechnet den abgewirtschafteten, beinamputierten Ex-Militär Cormoran Strike, der weder äußerlich noch von seinem Umfeld her ins gehobene Milieu der Bristows und Landrys zu passen scheint.

Wie es der Zufall will, schickt eine Zeitarbeitsagentur dem hoch verschuldeten Strike genau an jenem Tag eine neue Sekretärin, als er den Luna-Landry-Fall übertragen bekommt. Robin heißt die junge Dame, und sie entwickelt vom ersten Moment an eine Initiative, die den unentschlossenen Strike widerwillig mitreißt. Und so dringen die beiden in eine Welt ein, die auch dem Leser ein buntes (etwas klischeebehaftetes) Bild der Mode- und Glamourszene vermittelt, mit all seinen ebenso skurrilen wie genialen Typen.

Es ist ein mühsamer Weg, den der schwergewichtige Strike und seine aufgeweckte Partnerin in den kommenden Wochen beschreiten, wobei sich der Ermittler selbst erst einmal von der Selbstmordtheorie verabschieden muss. Unendlich viele Nebenspuren, zahlreiche fruchtlose Befragungen und nervenaufreibende private Probleme fordern ihren Tribut. Strike gerät dabei nicht nur körperlich nahe an den Abgrund, sondern auch in höchste Gefahr. Robin wird sein Halt, und allmählich bedauert er, dass die quirlige Sekretärin nur vorübergehend für ihn arbeitet.

Klar ist beizeiten, dass der angebliche Suizid tatsächlich ein Mordfall ist. Doch wie Rowling zur Lösung hinführt, ist so vielschichtig, dass auch der geübteste Krimi-Leser immer wieder auf die falsche Spur geschickt wird. Für den einen wird es atmosphärisch, für den anderen etwas ermüdend sein, mit dem humpelnden und abgespannten Strike tagein, tagaus die Londoner Straßen zu durchqueren, in den von Zigarettendunst vernebelten Pubs und Bars auszuharren, um ein winziges Puzzleteilchen zu finden. Aber es ist genau das, was dieses Buch zu einem klassischen Detektivroman macht - in guter alter englischer Tradition.

Mit Strike ist der Autorin eine wunderbar gezeichnete Figur gelungen. Er ist zwar kein Sherlock Holmes und stellt seine Kombinationsgabe nicht zur Schau, aber er beweist nicht selten dessen Spürsinn. Sein oft (nach-)lässiges Äußeres wurzelt in seiner bizarren Vergangenheit, sein ganzes Auftreten ist ein einziges Understatement, und seine Sensibilität versteckt er geschickt hinter einer wortkargen Fassade. Auch Robin ist eine überzeugende Mitspielerin und der ambitionierte Gegenpol zum introvertierten Detektiv. Es wäre schön, wenn sich die Britin zu weiteren Krimis mit diesem neuen Gespann entschließen würde, denn es besitzt bereits Suchtpotenzial.

Um es zusammenzufassen: „Der Ruf des Kuckucks“ ist ein guter Krimi mit Spannung und Schmackes und einem interessantem Ende - auch wenn die Logik mitunter ein wenig holpert. Doch mehr noch als die Geschichte an sich gefallen die Hauptprotagonisten, die ein eigenwilliges Duo bilden und sich fest in der Szene etablieren könnten. Das Debüt ist Rowling alias Galbraith unbedingt gelungen.

(Robert Galbraith: Der Ruf des Kuckucks. Limes Verlag München, 640 S., 22,99 Euro, ISBN 978-3-7645-0510-3)