Krimi-Autor Marc Raabe: Die Angst im Dunkeln bleibt
Marc Raabe weiß noch, wie er sich als Kind im Keller gefürchtet hat. Das transportiert der TV-Produzent auch in seinem ersten Krimi.
Köln. Momentan genügt ein Blick in den Eingang der Buchhandlungen: Marc Raabes „Schnitt“ ist so prominent platziert, dass man dieses Erstlingswerk beim besten Willen nicht übersehen kann. Wer düstere Spannung mag, ist bei diesem Psychothriller gut aufgehoben, denn Raabe lässt darin die schlimmsten Kindheits-Ängste hochkochen.
Als Elfjähriger schleicht Gabriel Naumann nachts in den Keller und macht eine grausige Entdeckung. Viele Jahre konnte er seine Erinnerung verdrängen. Dann wird seine Freundin Liz entführt. Und es gibt nur eine Möglichkeit, sie zu retten: Er muss sich erinnern.
Herr Raabe, Sie sind eigentlich Fernsehproduzent. Warum haben Sie jetzt einen Krimi geschrieben?
Raabe: Fernsehen ist immer Teamwork. Das ist zwar manchmal sehr schön, bringt aber viele Kompromisse mit sich. Ich wollte einfach einmal alle Fäden alleine in der Hand halten und sehen, was dabei herauskommt.
Wenn jemand ein Buch schreibt, der sein Berufsleben lang Fernsehen gemacht hat — läuft da im Kopf sofort der Film ab?
Raabe: Absolut. Mit 14 habe ich mit meinem Freund, der heute mein Geschäftspartner ist, die ersten Filme gedreht und die dazugehörigen Drehbücher geschrieben. Da beginnt man automatisch, in Bildern zu denken. Dieses filmische Denken überträgt sich auch auf das Schreiben. Ich ertappe mich manchmal dabei, wie ich mit einer Nahaufnahme beginne, die ich im Text beschreibe und dann auf die Totale zurück springe. Ich wähle die selben Auflösungsarten wie im Film.
Möchten Sie denn aus „Schnitt“ ein Drehbuch machen?
Raabe: Das würde ich niemals selber anfassen wollen. Ich denke, wenn man eine Geschichte bereits auf eine Art erzählt hat, ist es nicht gut, sie erneut auf eine andere Art zu erzählen. Für das Hörbuch musste ich 150 Seiten kürzen. Das tat schon weh. Das ganze also auf einen Film zurecht zu stutzen, das sollen lieber andere machen — mit objektivem Blick.
Aus der Besetzung würden Sie sich ebenfalls heraushalten?
Raabe: Ich will mich nicht festbeißen. Derjenige, der aus dem Buch einen Film machen will, hat seine eigenen Ideen. Ich will abwarten und mich begeistern lassen.
Im Roman beobachtet Gabriel als Kind einen Mord. 30 Jahre später leidet er immer noch an einem schweren Trauma. Ihre Frau ist Psychologin. Wie sah die Beratung am Esstisch da aus?
Raabe: Bevor ich in der Weltgeschichte herumtelefoniere, setze ich mich mit meiner Frau zusammen. Die Ideen für Gabriels Charakter hatte ich im Kopf, musste mich aber bei ihr vergewissern, ob seine Reaktionen und Gefühle wahrscheinlich sind. Mit ihrer großen Intuition und ihrem Fachwissen konnte sie die Ideen präzisieren. Auch ich habe landläufige Vorstellungen im Kopf, die psychologisch betrachtet nicht stimmen.
Die Angst vor dunklen Kellerräumen ist bei Ihnen ein wiederkehrendes Motiv. Sprechen Sie aus Erfahrung?
Raabe: Definitiv. Jetzt geht es natürlich. Aber man verbringt ja Zeit seines Lebens damit, irgendwelche Ängste abzuarbeiten. Ich kann mich noch gut an den Keller von Oma und Opa damals in der DDR, erinnern. Die hatten sämtliche Vorräte dort unten. Unter anderem eine wirklich leckere Zitronenlimonade. Leider stand sie ganz hinten im letzten Regal. Und das wenige Licht, das es dort gab, hat es nicht wirklich besser gemacht.
Wie geht es nach „Schnitt“ weiter?
Raabe: Schreiben macht mir einen unglaublichen Spaß. Ich habe meine Firma, das ist toll und wird auch so bleiben. Auf der anderen Seite habe ich dieses sehr intensives Hobby, das ich angefangen habe, weil ich nicht anders kann. Ich arbeite schon am nächsten Buch.