Lustvoll gegen die Wirtschaftskrise
Suter brilliert in „Der Koch“ mit eleganter Gesellschaftskritik.
Zürich. Im Züricher Sternelokal "Huwyler" ist die Weltwirtschaftskrise vor allem ein Gag auf der Speisekarte. Die hochdekorierten Geschäftsmänner gönnen sich derb scherzend das "Menu Surcrise", zu dem sie dann, aus Rücksicht auf die Finanzopfer, Chardonnay statt Cuvée brut schlürfen. Hinter dieser großkotzigen Fassade schuftet der tamilische Asylant Maravan als Küchenhilfe.
Die Gegensätze sind stereotyp, die Geschichte ist vorhersehbar. Und trotzdem schafft es Martin Suter (61), Meister der elegant-bissigen Satire, auch in seinem neuen Roman "Der Koch" wieder, den Leser zu amüsieren und zu fesseln und sich nach 272 leicht weggelesenen Seiten schwere Gedanken über das korrupte System der Weltwirtschaft zu machen.
Maravan, der herzensgute Tamile, wird plötzlich ein Rädchen im Getriebe der schmutzigen Macht. Denn er kreiert etwas, das begehrter ist als Geld: ein Aphrodisiakum. Mit seinen Kochkünsten - einer Mischung aus traditioneller ayurvedischer und experimenteller molekularer Küche - hat er sogar eine Kellnerin verführt, die ihm später gesteht, sie liebe eigentlich Frauen. Andrea wird seine Geschäftspartnerin und organisiert sündhaft teure "Love Menus" für Geschäftsmänner und deren Gespielinnen.
Selbstredend fühlt sich Maravan bei diesem Geschäft mit der Lust gar nicht wohl. Doch er verdient gut, und das Geld hilft seiner Familie auf Sri Lanka, das sich im Bürgerkrieg befindet. Doch dann wird Maravan klar, dass die Leute, deren Lust er mit seinen Kochkünsten steigert, die gleichen sind, die mit ihren Geschäften für Waffenlieferungen nach Sri Lanka sorgen.
Es ist weniger die Geschichte selbst, die diesen Roman so lesenswert macht, als die vielen charmanten und trocken-humoristischen Seitenhiebe auf typische Charaktere, verknüpft mit aktuellem Weltgeschehen. "Der Koch" spielt von März 2008 bis April 2009 und handelt deshalb auch am Rande von der Fußball-Europameisterschaft, der Wahl Obamas, dem Amoklauf in Winnenden und der Liechtenstein-Affäre. Und natürlich von der Weltwirtschaftskrise.
Suter, dessen Buch "Lila, lila" gerade für das Kino verfilmt wurde, skizziert herrlich-böse die Geschäftsherren , die mit ihren "großen, dünnen, blonden zweiten Frauen" zum Dinner auflaufen und sich bei Aufenthalten in St. Moritz beim Blick auf die Damen der High Society recht sachlich fragen, wie man angesichts der aktuellen Mode die Prostituierten erkennen soll. So lieben es die Suter-Fans.