Neuer Roman von Ian McEwans: Das Leben ist kein Honigschlecken
Sein neuer Roman dreht sich um Lügen und Liebe.
Düsseldorf. Du sollst nicht lügen. Nicht nur, weil es in den Zehn Geboten steht. Sondern auch, weil eine Lüge der Anfang vom Ende sein kann, der erste Schritt auf dem Weg ins eigene Scheitern. Dabei ist egal, ob die Lüge bewusst oder unbewusst daherkommt, ob sie ein Verschweigen darstellt, oder ein Verdrehen der Wahrheit ist.
So geschieht es in Ian Mc-Ewans neuem Roman „Honig“. Darin schlüpft ein Atheist in den Priesterrock seines Zwillingsbruders, um ihm aus einer Patsche zu helfen. Begeisternd auf der Kanzel, wird er Opfer einer religiös fanatischen Stalkerin. Dann gibt es einen Millionär, der sich, sich selbst über seine kurze Ehe belügend, in eine Schaufensterpuppe verknallt.
Und einen frustrierten Lehrer, dessen Frau nicht glauben will, dass ihm das Weihnachtsgeld gestohlen wurde. Allen gemeinsam ist das Scheitern durch die Lüge. Kein grandioses Scheitern. Ein ganz alltägliches, klägliches. Erfunden hat diese Geschichten Schriftsteller Thomas Haley, der selbst eine Romanfigur ist.
Kunstvoll und virtuos verwebt McEwan mit einer poetischen Ausdrucksstärke, die Meisterwerken wie „Abbitte“ in nichts nachsteht, Fiktion und Realität. Er führt sanft, aber unerbittlich, ein Spinnennetz aus Lügen, Halbwahrheiten und Verschweigen vor Augen, das die Beteiligten weben und sich darin verfangen. Und das Ganze lässt McEwan im Umfeld des britischen Geheimdienstes der frühen 1970er Jahre spielen, in einem Milieu, in dem Lug und Trug zum Geschäft gehören.
Hier hinein gerät die sympathische Ich-Erzählerin, die junge Serena. Über einen Professor, ihren verheirateten Liebhaber, wird sie vom MI5 angeheuert, dem britischen Geheimdienst. In der Operation „Honig“ sollen Schriftsteller gefördert werden, die dem Staat genehm sind. Serena wird auf Thomas Haley angesetzt. Sie versucht sich zu erklären, was an Haleys Erzählungen autobiografisch sein könnte, ohne zu erkennen, dass sie selbst nicht mehr Sein und Schein auseinanderhalten kann.
McEwan wäre nicht McEwan, wenn er dem Roman nicht noch eine verblüffende Wendung geben würde, die das Spiel mit der Fiktion noch einmal um die eigene Achse dreht. „Honig“ ist ein großes, intelligentes Buch, das mit manch subtiler Pointe blitzt.