„Orange is the New Black“: Piper Kerman und die Justiz

New York (dpa) - „Orange is the New Black“ ist einer der Hits des Streamingdienstes Netflix und alles beruht auf wahren Erlebnissen.

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Gut ein Jahr saß Piper Kerman, in der Serie „Piper Chapman“, im Gefängnis - etwas, was sich die „Tochter aus gutem Hause“ nie hätte träumen lassen. Ihr Buch „Orange is the New Black - Mein Jahr im Frauenknast“ erscheint jetzt in Deutschland. Im Interview der Deutschen Presse-Agentur äußert sich die 45-Jährige höchst kritisch über das amerikanische Justizsystem.

Frage: Frau Kerman, Sie waren wegen Geldwäsche für ein Drogenkartell mehr als ein Jahr im Gefängnis. Wie sehen Sie, zehn Jahre später, die Strafe heute? War es zu hart?

Antwort: Egal wie ich mich fühlte und wie ich es damals empfunden habe, muss ich den Zusammenhang sehen und mit anderen Fällen vergleichen. Und da muss ich sagen, dass meine Strafe sehr mild war.

Frage: Hatten Sie Glück? Oder eine so hervorragende Sozialprognose?

Antwort: Nein, ich bin einfach weiß und komme aus einer guten Familie. Ich konnte mir einen guten Anwalt leisten. Denn leider ist es immer noch so, dass die Farbe der Haut und die Dicke des Portemonnaies eine große Rolle spielen. Einige Frauen im Knast hatten eine ebenso kurze Strafe wie ich, andere eine lange. Weiße hatten einfach bessere Chancen.

Frage: Das klingt nach einer harten Kritik am amerikanischen Justizsystem?

Antwort: Ja, es kann gar kein Zweifel daran bestehen, dass wir nicht alle gleich sind. Und das beruht nicht nur auf meiner subjektiven Erfahrung oder auf ein paar Anekdoten. Statistiken beweisen, dass Schwarze und Latinos einfach benachteiligt werden. Es gibt gerade eine neue Studie, die eben mal nicht wie sonst Äpfel und Birnen vergleicht. Und wenn man Äpfel und Äpfel vergleicht, dann merkt man, dass Schwarze einfach eine deutlich härtere Strafe bekommen. Das ist eine sehr ernste Sache.

Frage: Sie sind, sagen wir es so, eine Tochter aus gutem Hause. Machte das die Erfahrung des Gefängnisses noch schwerer als für jemanden, der in einem sozialen Brennpunkt aufgewachsen ist?

Antwort: Das glaube ich nicht. Sicher gehen unterschiedliche Menschen unterschiedlich mit Haft und allem, was damit zusammenhängt, um. Aber eine harte Erfahrung ist es für jeden. Interessanterweise habe ich gemerkt, dass eine gute Universitätsausbildung selbst hinter Gittern hilft.

Frage: Wie das?

Antwort: Man lernt an einer Universität ja, wie man mit gewissen Situationen umzugehen hat. Und natürlich ist eine gute Bildung immer hilfreich. Bei mir kam hinzu, dass ich an einem reinen Mädchen-College gelernt hatte. Ich habe deshalb immer gesagt, dass das Gefängnis nicht meine erste Erfahrung war, mit ganz vielen Frauen eingeschlossen zu sein.

Frage: Wie hat Ihre Familie auf das „schwarze Schaf“ reagiert?

Antwort: Die waren am Boden zerstört. Meine Eltern waren beide Lehrer und sie haben sich immer bemüht, dass ich sehr bewusst für soziale Probleme aufwachse. Dass ihre kleine Tochter dann plötzlich hinter Gittern ist, war ein Schock für sie. Aber sie haben mich sehr unterstützt und so konnte ich das alles auch bewältigen.

Frage: Sie haben sicher nie damit gerechnet, einmal hinter Gittern zu landen. Was machen Gefängnisse mit Ersttätern? Ist das eine gute Abschreckung?

Antwort: Amerikanische Gefängnisse rehabilitieren nicht! Sie kümmern sich auch gar nicht darum. Wenn ich jetzt nur für die weiblichen Insassen spreche, dann hat deren Tat meistens eine lange Vorgeschichte. Viele wurden sexuell missbraucht, dadurch kam es dann zu aggressivem Verhalten. Das wird gar nicht hinterfragt. Oft sind die Menschen nach der Haft in einem schlechteren Zustand als vorher. Amerikanische Gefängnisse wollen bestrafen. Haben Gefängnis überhaupt die Möglichkeit, bessere Menschen zu machen? Grundsätzlich vielleicht schon. In dem Zustand, in dem unsere Gefängnisse jetzt sind, bestimmt nicht.

Frage: Haben Sie auch Verständnis für Kriminelle? Sind es nur Täter oder vielleicht auch Opfer?

Antwort: Weder das eine noch das andere kann man so sagen. Man muss immer hinter die Kulissen schauen, wie es zu dem Verbrechen kam. Und wirklich in jedem Einzelfall. Natürlich macht das sehr, sehr viel Arbeit und die wird nie fehlerlos sein. Aber es geht um Menschen, nicht nur die Häftlinge, sondern auch um deren Familien und natürlich auch die Opfer. Verbrecher wird man, wenn man kein Mitgefühl für andere Menschen empfinden kann. Die Gesellschaft sollte nicht den gleichen Fehler mit den Verbrechern machen. Mehr als eine Million Menschen sitzen in den USA hinter Gittern, viele für sehr einfache Delikte. Dass ein Käfig soziale Probleme lösen und einen Menschen zu einem besseren Menschen machen kann, diese Idee ist doch verrückt.

ZUR PERSON: Piper Kerman wurde 1969 in Boston, Massachusetts, geboren. Ihre Familie besteht vor allem aus Ärzten und Anwälten, ihre Eltern sind Lehrer. 1993 verliebte sie sich in eine Frau, die Geld für einen westafrikanischen Drogenbaron wusch. Kerman machte mit, wurde schließlich gefasst und zu 15 Monaten Haft verurteilt, von denen sie 13 absaß. Die Strafe verarbeitete sie in ihrer Biografie, heute arbeitet sie als Kommunikationsexpertin und wirbt für eine Reform des amerikanischen Gefängnissystems.

- Piper Kerman: Orange Is the New Black. Mein Jahr im Frauenknast. Rowohlt Verlag, Reinbek, 384 S., Euro 9,99. ISBN-13: 978-3499628801. Erscheinungsdatum 30. Januar