Ryszard Kapuscinski ist tot: Daheim in den Hütten der geringen Menschen
Der Tod von Ryszard Kapuscinski ist ein großer Verlust für Polen und den literarischen Journalismus.
<strong>Warschau. Er schrieb über die Mächtigen wie den Schah von Persien und den äthiopischen Kaiser Haile Selassie. Doch am meisten inspirierten den am Dienstag im Alter von 74 Jahren gestorbenen polnischen Schriftsteller Ryszard Kapuscinski in seiner journalistischen Karriere die Alltagsgeschichten aus der Dritten Welt. Kapuscinski, der zur lit.Cologne erwartet worden war, hatte sich nach einem Unfall einer Operation unterziehen müssen, der ein Herzinfarkt folgte. Mit der armen, in den Medien vernachlässigten Welt identifizierte sich Kapuszinski. In Polen galt er als Chronist der Dritten Welt. "Er hat uns Empathie gelehrt", hieß es.
Der Ort Pinsk, wo er am 4. März 1932 geboren wurde, gehörte der Dritten Welt Europas an, gab der Schriftsteller einmal in einem Interview zu: "In entwickelten Ländern fühle ich mich einfach nicht wohl." Die Dörfer Afrikas erinnerten ihn trotz der anderen Umgebung an die Kindheit in Ostpolen, das heute zu Weißrussland gehört.
Zugleich überdeckte die Exotik ferner Länder die Spiegelbilder der polnischen Gesellschaft. Sein Buch über Haile Selassie handele zwar von Äthiopien, sei aber zugleich eine Beschreibung kommunistischer Zentralkomitees, sagte Kapuscinski über den ewigen Kampf mit der Zensur, die diese Parallelen ebenso wie die Leser erkannte.
Seit den 70er Jahren konnte sich Kapuscinski zunehmend der literarischen Reportage widmen, etwa als er in "Imperium" die Auflösungserscheinungen der Sowjetunion beschrieb. Sein Arbeitszimmer in Warschau, den mit Fotos, Notizen, Büchern überquellenden Schreibtisch, sah Kapuscinski oft nur zwischen seinen Reisen, wenn er seine Erlebnisse niederschrieb.
Polens Zeitungen widmeten Kapuscinski mehrere Seiten und würdigten ihn als einen, der die Reportage zu literarischem Rang erhoben habe. "Er hat uns gezeigt, dass wir in einem globalen Dorf leben, in dem es außer uns Milliarden Menschen mit anderen Bräuchen und Ansichten gibt", sagte der Schriftsteller Pawel Huelle. "Er hat uns eine Welt geöffnet, zu der niemand anderer Zugang hatte", sagte Regisseur Andrzej Wajda. "Er half uns zu verstehen, was um uns herum vorgeht." In Deutschland erlebte sein Buch "Reisen mit Herodot" Bestsellerehren.