Silke Scheuermann: Eine brillante Beobachterin
Silke Scheuermanns Roman "Die Stunde zwischen Hund und Wolf" transportiert viel Lebensgefühl.
Düsseldorf. Der Ort war mit Bedacht gewählt. Im Rahmen des vom Literaturbüro NRW veranstalteten "Literarischen Sommers" las die junge Autorin Silke Scheuermann im Picasso-Raum der Galerie Conzen. Sind doch die beiden Schwestern in ihrem Roman "Die Stunde zwischen Hund und Wolf" als Malerin und studierte Kunsthistorikerin vom Fach. Zudem, so sagte die Autorin, hätten sie die Bilder des Malers Francis Bacon zu ihrem Roman inspiriert.
Darin kehrt die namenlose Ich-Erzählerin, eine Journalistin, von einem längeren Auslandsaufenthalt nach Frankfurt zurück. Sie trifft dort ihre ungeliebte Schwester Ines wieder. Die berühmte Malerin ist inzwischen dem Alkohol verfallen. Das schwierige Verhältnis der beiden bildet das Zentrum des Romans, der aus der Perspektive der Journalistin erzählt wird. Die Kühle des Tons und die distanzierte Beobachtung transportieren dabei auch eine gehörige Portion Lebensgefühl. Im Gespräch mit Maren Jungclaus wies Silke Scheuermann auf das Vorbild des französischen Nouveau Roman hin: "Ich wollte ein Auge durch die Stadt laufen lassen."
"Die Stunde zwischen Hund und Wolf" ist Silke Scheuermanns erster Roman; bisher hat sie zwei Lyrik- und einen Erzählband vorgelegt. Und auch wenn die 1973 geborene Autorin vom "Zwangsläufigen des Romans" sprach, es ist gerade die Kunst des Weglassens, die ihr neues Buch auszeichnet. So erfährt man kaum etwas über die Jugend der Schwestern oder den neuen Job der Ich-Erzählerin. Das schafft Raum für Phantasie und Identifikationsbedürfnisse des Lesers.
Darüber hinaus ist Silke Scheuermann eine brillante Beobachterin. Das zeigte an diesem Abend einmal mehr die Lesung der Szene, in der die Ich-Erzählerin zum ersten Mal den Alkoholismus ihrer Schwester miterlebt und die gerade in ihrer Beobachtung der kleinen Gesten und verstohlenen Momente überzeugt.
Zum Schluss gab Silke Scheuermann den Zuhörern noch eine Erklärung für den Titel des Buches mit auf den Heimweg: Was im Deutschen metaphernschwer klingt, beschreibt in der französischen Wendung "entre chien et loup" einfach "die Stunde der Dämmerung". So alltagstauglich kann Poesie sein.
Silke Scheuermann: Die Stunde zwischen Hund und Wolf; Roman; Verlag Schöffling & Co., Frankfurt/M., 174 S., 17,90 Euro