Tino Hanekamp: Wofür will ich brennen?
Tino Hanekamp hat einen rasanten Debütroman geschrieben und sucht im Leben mit Leidenschaft nach Abenteuern.
Hamburg. Man ahnt nichts Gutes, wenn einem ein Szeneroman aus einem Musikclub angedient wird — wird hier mal in atemloser Diktion wieder das Weggetretensein zum Lebenssinn erhoben?
Doch in Tino Hanekamps „So was von da“ blättert man angenehm überrascht immer noch eine Seite um. Der 31-Jährige gönnt sich zwar häufig die große Allwisser-Geste in seinem Debütroman über den Silvestertag von Oskar Wrobel (23), dessen Club einen Tag später abgerissen werden soll.
Auf der anderen Seite macht die Lektüre Vergnügen, weil Hanekamp drohende Klischees mit behenden Schlenkern vermeidet und immer noch eine Überraschung im Ärmel hat.
Herr Hanekamp, wenn ich Ihrem Roman glauben darf, ist man als Betreiber eines Musikclubs reichlich ausgelastet. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, auch noch einen Roman zu schreiben?
Hanekamp: Das mit dem Club war eigentlich ein Unfall. Ich habe immer geschrieben, schon mit 14 für die Lokalzeitung, danach als Musikjournalist. Als ich damit durch war, dachte ich, ich muss was Neues probieren — da kam die Idee zum ersten Club gerade passend.
Wie nah an der Realität sind denn die im Buch beschriebenen unerfreulichen Begegnungen mit Kiezgrößen?
Hanekamp: Aus Sicherheitsgründen kann ich dazu nichts sagen.
Ist das ein Scherz?
Hanekamp: Nee.
Dann etwas anderes: Sie zitieren unter anderem Wilhelm Busch und Marc Aurel, Leonard Cohen und Steve McQueen. Spielen die auch in Ihrem Leben eine Rolle?
Hanekamp: Klar, das waren oder sind ja schlaue Leute, von denen man lernen kann, und das versucht die Hauptfigur in meinem Buch.
Klingt nach bildungsbürgerlichem Hintergrund.
Hanekamp: Mein Vater war zwar Lehrer, aber ich kann mich nicht erinnern, dass Bücher herumlagen. Ich sollte gute Noten haben, aber es gab keine Buchtipps oder andere Anregungen.
Sie kreisen in Ihrem Buch um nichts Geringeres als um die Frage nach dem Sinn des Lebens. Ganz schön dickes Holz.
Hanekamp: Aber an dem sägen wir doch alle, oder? Die Hauptfigur im Roman ist 23, und gerade in dem Alter, aber hoffentlich auch später noch, stellt man sich natürlich immer mal wieder die Sinnfrage. Heutzutage ist die Welt um uns eigentlich schon fertig, alle Wege scheinen vorgegeben, gleichzeitig gibt es wahnsinnig viele Möglichkeiten, und da sollte man sich natürlich gut überlegen: Was will ich wirklich? Wofür will ich brennen?
Wie mutig muss man dafür sein?
Hanekamp: Viele Leute gehen den Weg des geringsten Widerstandes oder lassen sich von einem Bedürfnis nach Sicherheit leiten. Das ist verständlich, wenn man vier Kinder hat, für die man sorgen muss. Aber wer noch am Anfang steht und keine Verantwortung hat, sollte sich den Luxus leisten, seine Leidenschaften zu leben.
Zum Beispiel im Club.
Hanekamp: Wo und wie auch immer. Wir haben damals nicht den Club gegründet, um ewig Party zu machen. Wir wollten einen Ort schaffen, an dem die Leute etwas Tolles auf die Beine stellen können, abseits der üblichen Verwertungsmechanismen. Es ging und geht ums Ausprobieren! Aber das hält man nicht lange durch. So einen kleinen, idealistischen Club zu betreiben, ist auch eine Selbstausbeutung, körperlich und finanziell. Man zahlt da immer ordentlich drauf. Aber man gewinnt auch, nämlich an Abenteuern, Erfahrungen, Herzens- und Wissensbildung. Auch wenn es von außen zuweilen wirken mag, als seien alle ständig betrunken.
Brauchen Sie keinen Ruhepol?
Hanekamp: Ich wohne mittlerweile etwas ländlicher. Je älter ich werde, desto mehr liebe ich die Natur. Es war immer meine Urangst, dass ich mit 40 immer noch hinterm Tresen stehe, aufgeschwemmt und zynisch, weil ich da nie rausgekommen bin und das, was einen früher begeistert hat, mittlerweile Gewohnheit geworden ist. Deswegen ist es gut, dass im Club mittlerweile Leute aktiv sind, für die das alles noch neu ist.
Sie können leicht loslassen?
Hanekamp: Weggehen fällt mir leicht. Im Neuanfang finde ich die meiste Energie, den größten Zauber.