Was bringt der Literatur-Nobelpreis ein?
Düsseldorf. Gottfried Honnefelder, Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, über die Folgen des Preises.
Herr Honnefelder, heute wird der Literatur-Nobelpreis vergeben. Wie wirkt sich diese Auszeichnung auf die Nachfrage aus?
Honnefelder: Das hängt von Autor und Buch ab. Ich habe Nobelpreise erlebt, die eine sehr geringe öffentliche Wirkung hatten, zum Beispiel 1984 der Tscheche Jaroslav Seifert mit seinen Lyrikbänden. Wenn aber ein Schriftsteller diesen Preis bekommt, der hochgesellschaftlich relevante Romane schreibt, ist es etwas anderes. Ein Nobelpreisgewinner Thomas Mann (1929) oder ein Hermann Hesse (1946) haben natürlich andere Verbreitungschancen als jemand, der nur Lyrik schreibt.
Welche Preisträger waren am meisten nachgefragt?
Honnefelder: Die Frage ist zuallererst, ob in dieser Literatur über Persönlichkeiten, über Menschen erzählt wird, mit denen sich ein Leser gemeinmachen kann. Ein Vorbild, ein Held, Menschen, deren Lebensläufe ihn interessieren.
Wie schnell reagieren die Verlage nach der Bekanntgabe?
Honnefelder: Wenn der Nobelpreis bekannt ist, dann sollte der Verlag tunlichst am selben Mittag noch mit der Druckerei telefonieren. Weil die Rechte eines Autors in einer Sprache bei einem ganz bestimmten Verlag liegen, gibt es keinen Wettbewerb. Nur dieser Verlag kann in diesem Augenblick dieses Buch fortdrucken.
Können sich die Verlage auf den Ansturm vorbereiten?
Honnefelder: Ich habe in meinen 23 Jahren bei Suhrkamp oft genug gehofft, dass dieser oder jener Autor den Nobelpreis bekommt — und das wird allen anderen Verlagen ähnlich gehen. Die Gerüchte haben sich vor einer Preisverleihung aber nie so verdichtet, dass jemand einer Druckerei schon den Auftrag gegeben hat.
Sind die Bücher dann schnell vergriffen?
Honnefelder: Ich habe Fälle erlebt, in denen wirklich kein einziges Buch lieferbar war, etwa bei dem Ägypter Nagib Mahfus (1988). Wenn das Komitee ganz überraschende Entscheidungen fällt, sind die Verlage unvorbereitet. Es gibt auch Fälle, in denen Werke eines Autors noch gar nicht übersetzt worden sind. Dann beginnt die Jagd, wer sich Rechte an seinen Büchern sichern kann.
Was bedeutet der Preis für einen Verlag?
Honnefelder: Wenn der Preis damit verbunden ist, dass man 20 000 oder 50 000 Exemplare eines Buches verkaufen kann, dann ist das für den Verlag ökonomisch wichtig. Darüber hinaus ist es auch bedeutend für das Renommee eine Verlages: Ein Nobelpreisträger — das ist ja was!