Widerstand gegen die größte Internet-Bücherei der Welt

Der Urheberschutz ist bei „Google Books“ oft nicht geklärt. Die EU-Kommission sucht noch nach einer europäischen Lösung.

Brüssel. Bücher, Bücher, wohin das Auge schaut. 20 Stockwerke ist der Turm der Universitäts-Bibliothek in Gent hoch, auf jeder Etage bilden die Regale enge Gänge und jedes Regal ist bis an die Decke mit alten Werken gefüllt, mit Arbeiten von Erasmus, Martin Luther oder Calvin, mit Briefen des deutschen Märchen-Erzählers Jacob Grimm oder des französischen Schriftstellers Emile Zola. "Stellen Sie sich vor, Sie müssten das alles alleine digitalisieren", sagt Bibliotheks-Direktorin Sylvia van Peteghem. "Das würde unser Budget sprengen und unsere Mitarbeiter über Jahre an diese Aufgabe binden."

Die Belgierin ist sehr stolz auf die Sammlung, die Werke in deutscher, französischer und niederländischer Sprache umfasst. Sie möchte ihre Bibliothek für Wissenschaftler, Studenten und Interessierte außerhalb Belgiens öffnen, das kulturelle Erbe sichern für die Nachwelt. Deswegen hat sie mit dem US-Unternehmen Google ein Abkommen vereinbart: Es darf Werke aus dem Bücherturm auswählen, einscannen und ins Internet stellen, so dass sie für jeden einsehbar sind, für jeden zugänglich, und zwar 24 Stunden am Tag.

Seit Jahren treiben die Amerikaner ihr Projekt "Google Books" voran, um die größte Internet-Bücherei der Welt aufzubauen. "Wir wollen die Suche im Internet verbessern", sagt Google-Sprecher Philippe Colombet. Denn je mehr Inhalte die Nutzer über Google finden, desto besser sei das für das Anzeigengeschäft. Inzwischen haben sieben große Büchereien in Europa die Digitalisierung ihrer Bestände genehmigt, darunter die Bayerische Staatsbibliothek und die französische Nationalbibliothek.

Rund zehn Millionen Werke hat das Unternehmen eingescannt; in Europa wegen der strengen Urheberrechts-Bestimmungen der Mitgliedstaaten allerdings nur solche, bei denen das Copyright längst abgelaufen ist - in Deutschland ist das zum Beispiel 70 Jahre nach dem Tod des Autors der Fall. Die Urheberrechts-Bestimmungen in Europa sind aber sehr unterschiedlich.

Dennoch ist das Projekt umstritten. In den USA hagelt es Kritik, weil sich das Unternehmen dort nicht nur auf alte Werke ohne Copyright beschränkt, sondern auch Millionen anderer Bücher digitalisiert hat. Erst im Nachhinein bemühte es sich bei den Rechteinhabern um die nötige Erlaubnis.

Ein Vergleich sieht vor, dass Google gegen eine Zahlung von 125 Millionen Dollar auch Copyright-geschützte Bücher für die Online-Suche ins Netz stellen darf. Zwar soll der Vergleich nur in den USA gelten, jedoch sind unter den dort eingescannten Büchern auch Millionen Werke nicht-amerikanischer Autoren (siehe Kasten).

In Europa wiederum warnen Kritiker wie der deutsche Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) vor einem "faktischen Informationsmonopol" von Google. Um ein Gegengewicht gegen das Unternehmen aufzubauen, hatte die EU-Kommission die digitale Bibliothek "Europeana" vorangetrieben, in der seit November vorigen Jahres 4,6 Millionen Werke gespeichert sind - noch immer viel zu wenig, wie EU-Kommissarin Viviane Reding erklärt. "Europeana allein wird nicht reichen, um das Europa auf der digitalen Weltkarte zu platzieren", sagt Reding. Deswegen seien private Initiativen wie die von Google zu begrüßen.

Nach US-Vorbild favorisiert die Kommissarin eine europa-weite "Book Rights Registry". Dieses Register sammelt Informationen über die Rechteinhaber und verteilt die Einnahmen für digitalisierte Bücher. "Wenn wir zu langsam digital werden, könnte die Kultur Europas in Zukunft darunter leiden", hieß es am Montag in einer gemeinsamen Mitteilung von EU- Medienkommissarin Viviane Reding und Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy nach einem Treffen mit Experten zu diesem Thema. Der Internet-Konzern Google begrüßte den Willen der Kommission, an einer europäischen Lösung zu arbeiten.

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