Wolfgang Clements Abrechnung mit der SPD für 9,95 Euro

Der frühere Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen knöpft sich die SPD und vor allem Franz Müntefering vor.

Berlin. Wer in Berlin ein Buch präsentiert, bestellt sich gerne ein paar "einführende Worte" von der politischen Konkurrenz. Meist entpuppt sich das Grußwort als kaum getarnte Lobhudelei. So präsentierte SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier kürzlich eine Biografie über FDP-Chef Guido Westerwelle.

In dieser Woche will der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir Steinmeiers Buch "Mein Deutschland" vorstellen. Innenminister Wolfgang Schäuble gibt sich die Ehre, mit dem Ex-Grünen und CDU-Neumitglied Oswald Metzger über dessen Schrift "Die verlogene Gesellschaft" zu diskutieren. Und Wolfgang Clement? Er verzichtet auf einen Laudator.

Der frühere NRW-Ministerpräsident und ehemalige SPD-Politiker will am Donnerstag sein Buch "Klartext" präsentieren - und zwar in Nähe der Sphinx von Königin Hatschepsut, die schweigsam im Untergeschoss der Berliner Großbuchhandlung Dussmann steht. Die fast 3500 Jahre alte Statue ist ein Leihgabe des Ägyptischen Museums.

Clement sitzt im Aufsichtsrat der Dussmann-Gruppe - und so hat irgendwie alles mit allem zu tun. Dafür, dass unter diesen Umständen ein Gespräch über die Neuveröffentlichung zustande kommt, soll der Fernsehjournalist Heiner Bremer sorgen.

Wichtige Buchpassagen hat Clement der Boulevardzeitung "Bild" zum Vorabdruck zur Verfügung gestellt. Spätestens damit war klar, dass aktuelle SPD-Spitzenpolitiker im Allgemeinen und Parteichef Franz Müntefering im Besonderen als Lobredner für den ehemaligen "Superminister" ausscheiden. Denn Clements Klartext liest sich auch wie eine Abrechnung mit seinen früheren Parteifreunden.

Enttäuscht trat Clement im November 2008 nach 38 Jahren Mitgliedschaft aus der SPD aus, nachdem ihm eine Parteikommission eine Rüge erteilt hatte. Anlass war sein indirekter Aufruf, bei der Landtagswahl Ende Januar 2008 die damalige hessische SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti nicht zu wählen. Clement schreibt nun, er sei aus der SPD "auch deshalb ausgeschieden, weil die Parteiführung keinen klaren Trennungsstrich zur PDS/Die Linke zieht - obgleich deren Stasi-Verstrickung offenkundig ist".

Müntefering wirft er vor, der SPD "schweren Schaden" zuzufügen, da der SPD-Chef den Weg für rot-rote Bündnisse in den Bundesländern ebne. "Wer soll nach solchen Ermutigungen des Parteivorsitzenden noch glauben, dass desgleichen auf der Bundesebene ausgeschlossen sei?" Es gebe nicht nur eine "Gier auf Geld", schreibt Clement in diesem Zusammenhang, sondern auch eine "Gier auf Macht".

Das "Problem mangelnder Glaubwürdigkeit" habe "inzwischen offensichtlich die ganze SPD infiziert", giftet der frühere Genosse. Die Partei müsse achtgeben, dass sie nicht in "den fatalen Geruch" gerate, "ihr sei heute die Macht wichtiger als die Werte, denen sie sich verschworen hat".

Der Untertitel des 9,95-Euro-Buches lautet übrigens "Damit Deutschland wieder in Fahrt kommt". Zunächst allerdings dürfte Clement ehemalige Parteifreunde in Rage bringen. Doch die meisten schweigen wie die Sphinx der Königin Hatschepsut.