Abhörprotokolle der Wehrmacht im Theater
Hannover (dpa) - Den Nationalsozialismus und Zweiten Weltkrieg verhandelt die Kunst immer wieder. Trotzdem ist das am Sonntag uraufgeführte Theaterstück „Soldaten“ am Schauspiel Hannover sehenswert.
Das Stück beruht auf Abhörprotokollen von Generälen, Offizieren und Soldaten der Wehrmacht, die während des Krieges in britischer und amerikanischer Gefangenschaft waren. Somit liefert das zweistündige Stück von Regisseur Thomas Dannemann nicht nur einen ebenso spannenden wie schonungslosen Einblick in die Gedankenwelt deutscher Soldaten, sondern auch einen authentischen.
Frauen, Technik, besonders prägende Angriffe und immer wieder Frauen. Die Themen derer, die eben noch für Hitler an der Front standen und plötzlich Kriegsgefangene sind, werden schnell klar. In Stammtischmanier wird von Vergewaltigungen erzählt, in manischem Geschrei an tote Kameraden erinnert. Stimmung und Haltung sind dabei vielschichtig.
Die fünf durchweg überzeugenden Schauspieler verkörpern nicht jeweils einen Soldaten, sondern verleihen verschiedenen ein Gesicht - vom Hamburger über den Rheinländer bis zum Österreicher, vom Schießwütigen bis zum Skeptischen.
„Wir können keinen Krieg führen, weil wir nicht hart genug sind“, erklärt der eine, als er sich an den Russlandfeldzug erinnert. „Wir müssen die Leute anzeigen, die das gemacht haben“, meint der andere, als es um die Vernichtung der Juden geht. „Wenn meine Mutter wüsste, wo ich jetzt bin!“, ruft ein wieder anderer verzweifelt aus. Und auf die Frage der amerikanischen Wärter nach Hitler meint ein besonders Überzeugter: „Wir haben überhaupt keinen besseren Führer gehabt.“
Auffällig an dem Stück - das an das 2011 veröffentliche Buch „Soldaten“ des Historikers Sönke Neitzel und des Soziologen Harald Welzer angelehnt ist - ist die Bühne von Dirk Thiele. Die Soldaten sitzen in fünf Glaskästen - also im Gefängnis und im Schaukasten zugleich. Dadurch wird die Rolle des Zuschauers ebenfalls zum Thema: Wir blicken von außen auf einen Teil deutscher Geschichte, den wir alle zu kennen glauben. Was das Stück aber zeigt, ist die Innensicht derer, die damals beteiligt waren - und von ihrer Situation und ihrer damaligen Zeit auf das Geschehene blicken.
Dieser zeitgebundene Blick auf die Ereignisse reizte Regisseur Dannemann. „Mir war wichtig, die eigene Gefährdung zu beschreiben, in einem gewissen Zeitgeist mitzuschwingen und dabei die Fähigkeit zu verlieren, eben das zu reflektieren, weil man sich innerhalb des Systems befindet“, sagte er der Nachrichtenagentur dpa.
Intensiv wird das Stück nicht nur wegen der starken Schauspieler, sondern wegen der Bilder, die deren Schilderungen im Kopf des Zuschauers erzeugen. Geschichten von erschossenen Kindern und verstümmelten Kriegsgegnern sind dabei nicht immer leicht auszuhalten. Lob für die berührende Inszenierung gab es denn auch von den Buchautoren Neitzel und Welzer, die sich seit Jahren mit dem 150 000 Seiten starken Abhörmaterial aus der Zeit von 1942 bis 1945 beschäftigen.
Bei einer Bühnenfassung des Themas könne man viel falsch machen und leicht ins Triviale abdriften, sagte Soziologe Welzer der dpa. „Man hätte kitschig, gewaltpornografisch oder pathetisch werden können.“ Das sei aber nicht der Fall gewesen. Und Militärhistoriker Neitzel betonte: „Die schauspielerische Leistung war exzellent.“